Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
Haut des Fischschwanzes einen Halt zu finden, an dem er sich festhalten und an die Wasseroberfläche ziehen konnte.
Alle Versuche scheiterten, der Sícyr´Glýnħ blieb unter der Wasseroberfläche. Rhavîn verlor immerzu an Kraft, während er immer seltener nach Luft schnappen konnte. Das schwarze Wasser war von einer lähmenden Kälte, sodass der Meuchelmörder seine Glieder bald kaum mehr zu bewegen wusste. Seine Lunge war wie eingefroren, mit jedem schmerzhaften Atemzug atmete Rhavîn das Wasser des Flusses mit ein. Rasselndes Husten zwang ihn immer wieder, noch mehr Wasser einzuatmen. Schon gaukelte ihm sein inneres Auge bunte Farbspiele und andere leuchtende Halluzinationen vor, als er abermals die Besinnung verlor.
Auriel hatte längst gemerkt, dass Rhavîn seinen Gegner unterschätzt hatte. Sie war zwar keine Kriegerin, doch wusste sie, dass Rhavîn dem Dämon weit unterlegen war. Angst hämmerte in ihrer Brust. Schuldgefühle, dass sie ihrem Liebsten in diesem Moment nicht beistehen konnte, wüteten in ihrem Herzen.
Die Hexerin hatte sich einige Schritte abseits des Feuers in das Unterholz zurückgezogen. Nun begann sie voller Hast damit, die Götter abermals um ihren Beistand anzuflehen. Sie bat die verwobenen Grauen, ihre Wunden zu heilen, damit sie den Kampf bestreiten und Rhavîn helfen konnte. Doch schon, während sie die Zauberformel wie ein Gebet formulierte, spürte sie, dass ihre Anrufungen vergebens waren. Die Magie versiegte, bevor sie richtig zu wirken begonnen hatte, und ließ Auriel mit ihren Schmerzen und ihrer Hilflosigkeit allein.
„Verflucht!“ Niedergebeugt hieb sie auf den überschwemmten Boden. Ich weiß, weshalb die Götter mir nicht beistehen , dachte sie entmutigt. Immerhin bat ich sie, mir ihre Magie zu leihen, damit ich Rhavîn helfen kann. Die Götter dulden keine Liebe und keine Trauer um verlorene Freunde und geliebte Wesen. Ich kann nicht länger ein Kind im Bund der verwobenen Grauen sein. Ich schreite nicht mehr auf ihren Wegen und ich lebe nicht mehr ihre Lehren. Ich muss den Göttern entsagen und auf meine eigenen Kräfte vertrauen ...
Auriel richtete sich auf, so gut sie konnte. Sie wandte sich mit lauter und fester Stimme an die Götter, denen sie so viel zu verdanken hatte und deren Lehren sie in den letzten Jahren verbreitet hatte, als wären es ihre eigenen.
„Ihr verwobenen Grauen, hört mich an!“ Sie stockte, der Schmerz in ihrer Seite ließ sie erzittern. „Ich entsage euch in diesem Augenblick meines Lebens. Ich werde von nun an meine eigenen magischen Wege gehen und euch nicht länger um Unterstützung anrufen. Ich entsage euch auf alle Zeiten!“ Die Hexerin versuchte, noch ein Stück höher zu gelangen. „Ich entsage euch!“ Wieder und wieder rief sie diese Worte. Ihre Stimme überschlug sich. „Ich entsage euch!“
„Na, na, na“, unterbrach sie in diesem Moment eine unbekannte Stimme.
Auriel fuhr erschrocken herum. Sie konnte niemanden erkennen, weder am Flussufer noch am Waldrand.
„Wer wird denn hier einfach so den verwobenen Grauen entsagen?“, drang die Stimme erneut an ihr Ohr.
Auriel erschauderte unter der Kälte, mit der die Worte vorgetragen wurden.
„Wer seid Ihr? Wo seid ...“, rief die Zauberin fröstelnd. Ihre ängstliche Frage wurde von Rhavîns jähem Aufschrei durchbrochen, der in diesem Moment seit endlosen Augenblicken wieder an die Oberfläche getrieben wurde.
Die Hexerin wandte sich sofort dem Fluss entgegen. Erschrocken erkannte sie, dass ihr Geliebter noch immer in den Windungen des Fischschwanzes gefangen war. Noch immer war er der Gewalt des Dämons ausgeliefert, weiterhin bestimmten die Bewegungen der mächtigen Kreatur, wann er an die Oberfläche gelangte. Abermals schrie Rhavîn auf, Auriel stockte der Atem.
„Rhavîn.“
Mittlerweile hielt der Dunkelelf seinen glänzenden Dolch in der rechten Hand. Er hackte die Klinge in den Leib des Dämons, versuchte, seinen Gegner endlich wieder zu verletzen.
„Rhavîn!“ Auriels spitzer Schrei wurde von dem lauten Tosen der Wassermassen übertönt.
„Ich stehe hinter Euch!“ Die scharfe Stimme war nicht besonders laut, aber aufgrund ihres beißenden Klangs und ihrer Frostigkeit nicht zu überhören. Auriel fuhr abermals herum. Entsetzt zuckte sie zusammen.
Im Schatten der Bäume stand ein sehr hochgewachsener Mann von eindrucksvoll finsterer Ausstrahlung, dessen Gestalt schlank, wenn nicht gar hager war. Sein schwarzes, glänzendes Haar reichte weit über
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