Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
Grundfläche riesig und bot Raum für etliche Menschen. Der aus festgestampftem Lehm gefertigte Boden war von vielen Fellen bedeckt. Er bildete in der Mitte der Halle eine mit Steinen ausgelegte Grube aus, in der ein kleines Feuer prasselte. Direkt darüber war ein kreisrundes Loch in die Decke, durch das der Rauch abziehen konnte.
An den Wänden des Raumes standen etliche Regale, gefüllt mit Schriftrollen und Büchern, aus denen zum Teil lange Siegelbänder oder kunstvolle Schnürriemen hingen. Fackeln an den Wänden sorgten für ausreichende Helligkeit und mehrere, kunstvoll gefertigte Lehnstühle aus schwerem Eichenholz boten angenehme Sitzgelegenheiten. Diese standen fast alle mit dem Rücken zur Eingangstür. Sie boten durch ihre Vielzahl genügend Raum für eine oder auch mehrere Personen, sich zu verstecken.
Rhavîn sah sich flink um, in nur wenigen Augenblicken hatte er den gesamten Raum überblickt. Als er in einem der hohen Lehnstühle einen Schatten bemerkte, nahm sein Gesicht augenblicklich einen anderen Ausdruck an. Seine Augen funkelten gierig.
Auriel bemerkte, wie sich ein Hauch von Kälte wie ein Schatten über das Antlitz des Sícyr´Glýnħ legte. Seinen Blick konzentriert nach vorn gerichtet, bedeutete er Auriel mit einem Handzeichen, stehen zu bleiben, während er selbst den Raum betrat. Völlig lautlos ging der Dunkelelf Schritt um Schritt voran, das Langschwert angriffsbereit in der rechten Hand haltend. Der Tarnstoff seines langen Umhangs ließ Rhavîn beinah vollständig mit der Umgebung verschmelzen. Das Dämmerlicht des Feuerscheins tat das Übrige hinzu, sodass sich der Dunkelelf fast unsichtbar und leise wie der Wind durch die Thing-Halle bewegen konnte. Behutsam setzte er einen Fuß vor den anderen, den dunklen Schatten in dem hohen Lehnstuhl unablässig im Blick behaltend.
Auriel dagegen presste ängstlich eine Hand an ihren Mund. Aufgeregt versuchte sie, herauszufinden, was Rhavîn plante. Sie hatte den auffälligen Schatten nicht bemerkt und konnte niemanden im Inneren des Raumes erkennen, sodass sie sich die Handlung ihres Geliebten nicht erklären konnte.
Was plant Rhavîn bloß? , fragte sie sich mit banger Miene. Ihr Herz pochte bis in ihre Lippen hinauf. Wenn der Jarl in dieser Halle ist, was wird er dann denken, wenn er plötzlich von Rhavîn überrascht wird, wie er mit gezogenem Schwert an ihn heranschleicht? Er kann doch unmöglich auf diese Art seine Botschaft überbringen!
Rhavîn hielt plötzlich inne.
Auriel beobachtete gebannt, wie sich der Dunkelelf langsam zur Seite lehnte, um aus einem anderen Winkel über die Lehnstühle blicken zu können. Ihr Herzschlag setzte einen Moment aus. Dann pochte er so laut, dass die Hexerin glaubte, man müsse ihn bis weit in die Halle hinein hören können. Als der Meuchelmörder dann weiterging, atmete sie beruhigt auf. Furcht und Unsicherheit hatten ihren Geist fest im Griff, ihre Seele war eine Geisel der Beklommenheit, die Auriel umgab.
Wenn ich Jarl Grímmaldur wäre, würde ich wohl kaum dankend die Botschaft eines Fürsten annehmen, die mir durch einen Boten überreicht wird, der so wenig Manieren an den Tag legt, wie Rhavîn! Wie kann er es wagen, sich dem Jarl der Nordmarken auf diese Weise zu nähern? Auriel schnappte empört nach Luft, hoffte aber gleichzeitig, dass Rhavîn sich nicht durch eine ungeschickte Bewegung oder ein Stolpern selbst verraten würde. Sie war auf seiner Seite, hielt zu ihm. Für die Unhöflichkeit, die Rhavîn dem Jarl zuteilwerden lassen wollte, schämte sie sich jedoch. Was, bei den verwobenen Grauen, hat er bloß vor? Er ist doch selbst Vertrauter eines Fürsten ... er muss doch wissen, wie man sich zu benehmen hat!
Plötzlich stockte Auriel der Atem. Ein schrecklicher Verdacht kroch wie der Geist einer Dämonenschlange an ihr nach oben. Die Düsternis der Ahnung, die sie beschlich, vertrieb jegliche Wärme aus ihrem Körper. Die Finger der Hexerin klammerten sich so fest um den Griff des Dolches, dass ihre Knöchel weiß wurden.
Diese Botschaft ... Diese Botschaft ist ... Nein! Schweißperlen traten auf Auriels Stirn. Ihre Hände wurden feucht, ihre Knie zitterten. Hoffentlich täusche ich mich! Götter, lasst meine Befürchtungen nur Irrglaube sein.
Vierundzwanzigstes Kapitel: Heimgang eines Helden
Rhavîns Zähne blitzten im Dunkeln hell auf, er lächelte triumphierend.
Habe ich es mir doch gedacht! Dort hockt er, kraftlos, mutlos. Rhavîns Blick fiel auf die hochgewachsene
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