Rhavîn – Gesang der schwarzen Seele 2 (German Edition)
Visionen schicken, so hoffe ich, heute zu erfahren, wer meine Träume auf diese Weise manipuliert.
Rhavîn blieb abrupt stehen, Auriel schreckte aus ihren Gedanken auf. Sie hatten die Thing-Halle erreicht, ein großes, wunderschön gestaltetes und durch höchste Kunstfertigkeit gezeichnetes Gebäude. Die Thing-Halle besaß keine Fenster. Licht fiel durch Spalten zwischen der Decke und den Wänden in das Innere. Die Halle war achteckig. Sie verfügte über ein spitzes Giebeldach, welches von dem größten Banner in Dragelund geziert wurde.
Der Dunkelelf stand breitbeinig vor der Halle. Kaum vier Schritte trennten ihn vom Eingangsportal der Thing-Halle. Auriel bemerkte anhand einer unscheinbaren Bewegung unter seinem Umhang, dass Rhavîn die Sicherung der Teydraga entriegelte. Die Hexerin erschrak, ihr Herz schlug schneller. Auriel trat an die Seite ihres Geliebten, um ihn zu fragen, was er damit bezweckte. Doch dann fiel ihr Blick auf zwei bewaffnete Männer, die vor dem Eingangstor der Thing-Halle Stellung bezogen hatten. Beide waren mit Äxten, Schilden und Speeren ausgestattet, die sie Rhavîn angriffsbereit entgegenhielten.
„Was wollt Ihr hier?“, fauchte einer der Männer, ein hochgewachsener, rothaariger Kämpfer mit Bart. Er war in eine leichte Lederrüstung gehüllt und recht jung.
„Zutritt verboten!“, rief der andere Mann drakonisch. Bei diesem grobschlächtigen Recken handelte es sich um einen vernarbten Krieger mittleren Alters. Seine flinken Augen musterten Auriel und Rhavîn misstrauisch. „Niemand erhält Einlass in die Thing-Halle!“
„Mich werdet Ihr einlassen“, erwiderte Rhavîn mit ruhiger Stimme, ohne den Blick zu heben. Seine tiefschwarzen Augen sahen sich nach weiteren bewaffneten Männern um, doch entdeckten sie niemanden außer den beiden Wachmännern.
„Was erlaubt Ihr Euch?“, schnauzte der Rothaarige. Er tat einen Schritt auf den Sícyr´Glýnħ zu, der regungslos stehen blieb. „Weicht sofort zurück, niemand erhält Einlass in die Thing-Halle des Jarls!“
„Außer mir.“ Rhavîn ließ die Spitze der Teydraga unter seinem Umhang hervorblitzen. Er befahl mit durchdringender Stimme: „Und nun weicht beiseite, wenn Euch Euer Leben lieb ist. Ich habe eine Botschaft für Jarl Grímmaldur. Ihr werdet mich nicht davon abhalten, sie ihm persönlich zu überbringen.“
Auriel wurde blass. Ihr Atem stockte, das Blut strömte heiß durch ihre Adern. Sie hatte Angst, dass die beiden Männer um Hilfe rufen und somit weitere bewaffnete Krieger herbeibeordern könnten. Nervös beobachtete sie die Gesichter der beiden. Rhavîn an ihrer Seite zeigte keinerlei Regung. In seiner Überlegenheit fühlte er sich absolut im Vorteil. Seine Augen funkelten arrogant.
„Eine Botschaft?“, raunte der narbige Mann. Misstrauisch zog er die struppigen Augenbrauen in die Höhe. „Von wem?“
„Das hat Euch nicht zu interessieren!“, lautete die kühle Antwort.
Der ältere Mann wollte beleidigt aufrufen, als ihm der rothaarige Krieger ins Wort fiel und spontan fragte: „Ist es eine Botschaft wegen des Schattens, der den Jarl mit dem Tod bedroht?“
Rhavîn bemerkte das vorfreudige Glänzen in den Augen des jungen Mannes. Er erkannte seine Aufregung, sah, dass auch der ältere Recke aufmerksam aufhorchte. Ein triumphierendes Lächeln huschte über die Lippen des Dunkelelfen. Mit honigsüßer Stimme erklärte er: „Ebenso ist es. Eine Botschaft wegen des Schattens, der unseren Jarl mit dem Tod bedroht.“ Rhavîn stellte das rechte Bein einen Schritt zurück. Er verbeugte sich mit gespielter Ehrerbietung. „Ihr seid klug, junger Krieger.“
Die beiden Wachmänner wechselten einen Blick miteinander. Dann blickten sie zu Auriel, die ihnen im gleichen Atemzug ein strahlendes Lächeln schenkte, um sie von Rhavîns Worten zu überzeugen. Doch der ältere Krieger war nicht überzeugt.
„Jeder könnte dies behaupten! Könnt Ihr beweisen, dass Ihr eine Botschaft bei Euch tragt?“
Rhavîn, der auf diese Frage vorbereitet war, tat empört. Theatralisch erwiderte er: „Also wirklich! Da bemüht man sich den langen Weg von den Südmarken in den hohen Norden, um eine wahrhaft wichtige Botschaft ob des furchtbaren Schattens zu überbringen ... und dann muss man sich solch eine Begrüßung gefallen lassen! Unerhört!“ Der Dunkelelf wandte sich an Auriel. Er tat, als ob er gehen wollte, als er mit beleidigtem Tonfall hinzufügte: „Komm, meine Liebe. Ich denke kaum, dass diese Menschen
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