Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
Vom Netzwerk:
den Nachbarn über den Gartenzaun, um zu ihrem Haus zu gelangen. Sie ignorierte die Rufe der Feuerwehrleute, die ihr zu gelten schienen und ihr in harschen Worten befahlen, vom Brandherd wegzubleiben. Sie rannte, bis ihre Lunge brannte, und kletterte abermals über einen Gartenzaun und stand in ihrem Garten.
    Schockiert stand sie vor dem, was von ihrem Haus noch übrig war. Der widerliche Gestank und die unerträgliche Hitze, die in der Luft lag, nahmen ihr den Atem und schienen sich in ihrer Kleidung festzusetzen. Fassungslos starrte sie auf die rauchenden Überreste. Langsam ging sie auf das Haus zu. Die Hitze war unerträglich. Kleine dunkelgraue Wolken verpesteten die Luft, die sich wie ein schwerer Ballon auf den Garten und die Brandreste legte. Das Haus war bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Auf der Eingangsseite war noch eine Wand stehen geblieben, die schwarz verfärbt düster im Garten stand und sie bedrohlich ansah. Der Vorgarten war übersät von Glassplittern und zerbrochenen Dachziegeln. Kleine Häufchen, die noch still vor sich hinglühten, lagen verstreut herum. Ruhelos wanderten ihre Augen über den Rest der Mauern. Das war’s also. Alles, was von Oma Liesel geblieben war. Ihre Augen streiften die Einzelteile des Terrains. Es war nicht nur das Haus, wie sie erschüttert feststellte.
    Ihre Fliederbäume waren verbrannt. Die Fliederbäume, die Oma Liesel gehegt und gepflegt hatte, die ihren lieblichen Duft während des Frühsommers verströmten und die für Alexandra zur Erinnerung an Liesel gehörten, wie der Mond zur Erde.
    Diese Erkenntnis des Verlustes war es, die sie von einem Moment zum anderen zutiefst verzweifeln ließ. Ihre Hände begannen unkontrollierbar zu zittern und die Unruhe erfasste Stück für Stück ihren ganzen Körper. Er schien schlagartig das Dreifache seines bisherigen Gewichtes zu wiegen, so schwer wog die Last, die ihr auf den Schultern lag. Ihre Beine wollten sie urplötzlich nicht mehr halten. Wie ein nasser Sack fiel sie in sich zusammen vor den Trümmern und weinte bitterlich. Wie, oh wie nur sollte sie das hier Caro erklären?
    „Tut mir leid.“ Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter. Ein Feuerwehrmann hockte sich neben sie. „Sind Sie die Besitzerin des Hauses?“
    Alexandra schaute ihn nur an. Sie nickte. Sprechen konnte sie nicht, ihre Stimme versagte. Ihr Körper zitterte unaufhörlich. Sie begann, trotz der Hitze, stark zu frieren.
    Der Feuerwehrmann sah sie kritisch an, dann holte er sein Funkgerät aus der Tasche und forderte einen Krankenwagen an.
    „Person mit Schock, vermutlich die Eigentümerin. Sonst keine verletzten Personen.“ Dann drehte er sich zu seinen Kollegen um und schrie: „Leo, bring mir zwei bis drei Decken für ne Schocklagerung!“
    Leo kam im Laufschritt mit einer silbernen Rettungsdecke und zwei Wolldecken. Alexandra fühlte, wie sie hingelegt wurde. Dunkel nahm sie neben sich einen Mann wahr. Hannes. Es konnte aber auch Fritz sein.
    „Tut mir leid. Wir mussten es kontrolliert abbrennen lassen“, sagte der Feuerwehrmann. „Es war aussichtslos. Als wir kamen, brannte es bereits lichterloh.“

Alexandra rieb den Bleistift zwischen ihren Händen hin und her. Die Oberfläche des Gartentisches war heiß, ebenso, wie die Sitzflächen der Möbel, die in der Sonne standen. Manchmal wünschte sie sich jetzt doch einen Regenschauer, einen warmen, weichen Sommerregen. Einen Regen, der den Pflanzen, Tieren und den Menschen eine kurze Verschnaufpause von der puren Hitze geben würde, und dafür Sorge tragen würde, dass das Leben nicht austrocknete. Einen Regen, dessen tröstliche Nässe alles wegwaschen würde, was an gnadenlosen Wahrheiten noch in ihrem verbrannten Garten stand und ihr Herz beschwerte.
    Der große Mann, der mit einer Aktentasche in der Hand über den Hof kam, kam Alexandra dunkel bekannt vor. Hannes sah ihn auch und ging ihm entgegen. Sie begrüßten sich herzlich und plötzlich wusste Alexandra, wer der Polizist war.
    Der Polizist, der, wie Hannes angekündigt hatte, sich mit ihr über den gestrigen Tag Unterhalten wollte. Es war Wolfgang. Der Brandermittler von Sändis Party. Er hatte seine Sonnenbrille in die dunklen Haare hochgeschoben, als er aus seinem sportlichen Cabrio ausstieg, und sah aus wie Don Johnson im Miami-Vice-Look. Braun gebrannt, in einem lässig verwaschenen, angeknitterten weißen Leinenanzug und weißen Sneakers bewegte er sich locker über den Hof. Sie kamen in den kleinen Garten und Wolfgang

Weitere Kostenlose Bücher