Rheingau-Roulette
veralteten Elektronik auch abbrennen, oder?“
Mit gespieltem Entsetzen sah Alexandra sie an. „Das hat hoffentlich keiner gehört, Doro!“
„Wir können uns ja mal umhören, ob es hier nicht ein paar zündelwillige Teenies gibt, die gern mal ein Abenteuer erleben wollen ...“ Doros Gesicht strahlte harmlos.
„Mama!“ Ihre Tochter war wirklich entsetzt. „Hast du was geraucht?“
Doro schüttelte sich vor Lachen. „Siehst du Alex, soweit ist es schon. Meine spießige Tochter, die“, sie wuschelte ihr liebevoll durch die Haare, „ihren zweiten Namen Janis nach einer saufenden und kiffenden Rockröhre bekommen hat, die hat Angst, dass ihre Mutter im Drogenrausch Jugendliche zur Brandstiftung animiert.“
Der Lagerraum, der früher ein Teil des Stalles war, war trocken und angenehm kühl, trotz der Hitze draußen. Es roch nach Kalk. Glücklicherweise nicht mehr nach den früheren Bewohnern, den Schweinen, wie Alexandra erleichtert bemerkte. Die weißen Wände waren durch kleine vergilbte Fenster unterbrochen und sahen nicht so aus, als ob sie einem stärkeren Wind standhalten könnten. Die letzten Stunden des Tages waren angebrochen und die Abendsonne drängte ihr rötliches Licht durch die schmalen Luken in den Stall.
Alexandras Plan, ihr Haus leer zu räumen und dann mit einem Architekten über fällige Umbaumaßnahmen zu sprechen, geriet nach ihrem Gespräch mit Doro ins Wanken. Sie zweifelte an ihrem Vorhaben. Alle sagten ihr das Gleiche. Es rechne sich nur ein Neubau.
Ein leiser Schmerz durchzog sie, als sie sich überlegte, ob sie es tatsächlich übers Herz bringen würde, Oma Liesels Häuschen dem Erdboden gleichzumachen. Rentabilität hin oder her. Ganz davon abgesehen war sie sich überhaupt noch nicht sicher, ob sie sich wirklich und wahrhaftig mit dem Thema ‚Bauen’ auseinandersetzen mochte.
Mit einem kräftigen Stöhnen stapelte sie die letzte der Weinkisten auf. Geschafft. Endlich. Ihr Rücken schmerzte von der Plackerei. Verspannt rieb sie sich den Nacken und setzte sich neben eine ihrer Umzugskisten auf ein kleines Mäuerchen. ‚Schlafzimmer’ stand in Caros Schrift auf der Kiste. Alexandra dachte nach. Was mochte drin sein? Als sie bei Oliver ausgezogen war, hatte sie alles Caro überlassen. Sie wusste auch bei längerem Überlegen nicht mehr, was sie in ihrem Schlafzimmer zum Verpacken hatte, außer Bettwäsche. Ihre Klamotten aus dem gemeinsamen Schrank waren in Kleiderkisten und Säcken. Einen kleinen Teil davon hatte sie in Oma Liesels Schrank geräumt, aber der größte Teil ihrer Kleidung war noch hier.
Der Deckel der schmalen Umzugskiste war nur zusammengeklappt und Alexandra öffnete ihn. Sie fand ihre Nachttischlampe darin, eingepackt in blau-lila gepunkteter Bettwäsche. Leise lächelnd erinnerte sie sich daran, wie sie diese Lampe gekauft hatte.
„Na, schwelgst du in Erinnerungen?“
Alexandra sah auf. Im Gegenlicht konnte sie die schemenhaft die Figur eines Mannes erkennen. Hannes.
„Nicht wirklich.“
Er kam näher und setzte sich neben sie.
„Ich hab dich Kisten schleppen sehen.“
Sie sah ihn fragend an. „Ich hoffe es ist in Ordnung, dass ich hier noch mal ein paar Kartons einlagere?“
Er lächelte und machte eine ausladende Handbewegung, die auf den ganzen Raum verwies. „Schau dich um. Ich leide nicht gerade an Platznot. Du kannst von mir aus den ganzen Stall vollstellen.“ Er stand auf und klopfte sich die Hose ab, während er einen Schritt zur Seite ging. Sein Blick fiel auf die aufgestapelten Kartons.
„Waren die ganzen Kisten bei Liesel im Haus?“
Er trat näher heran und Alexandra fühlte, wie sich ihre Nackenhaare hochstellten. Er würde sehen, dass es die Weinkisten sind und er würde wieder auf den denkwürdigen Nachmittag des Rheingau-Roulettes zu sprechen kommen. Ein Thema, das sie unbedingt vermeiden wollte.
„Hm.“ Alexandra stand ebenfalls auf, das heißt, sie wollte aufstehen und den Stall verlassen, als ihr der Schmerz heftig und unmittelbar in den Rücken schoss. Sie sank zurück auf die Mauer und stöhnte laut und unbeherrscht. Überrascht sah Hannes zu ihr.
„Was ist los? Hast du dich verhoben?“
Alexandra nickte. „Hm. Vermutlich.“
„Hexenschuss?“
„Nein. Nur eine blöde Bewegung gemacht und mich verzogen.“
„Soll ich dich massieren?“
„Nein, danke. Geht schon.“ Nur nicht. Keine Massage von ihm. Keinen körperlichen Kontakt. Die letzten Tage hatte sie sich wieder einigermaßen gefasst, nach
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