Rheingau-Roulette
man´s nimmt.“ Sein Blick, der gerade einen imaginären Punkt vor sich betrachtete, richtete sich auf sie zurück. „Die Abteilungsleitung bekomme ich nicht.“
Betroffen sah Alexandra ihn an. „Oh je. Das tut mir leid. Ich wollte dir nicht deinen Aufstieg vermasseln. Aber ich wollte mir auch nichts mehr gefallen lassen. Ich ...“ Sie verstummte.
Er sah sie mit unbewegtem Gesicht an, verließ seine Position an der Wand und bewegte sich gemächlich auf sie zu. Alexandras Herz begann laut zu klopfen und nervös trat sie zur Seite. Sie konnte nicht so recht einschätzen, ob er nun doch noch sauer war oder nicht und die Anspannung, die sie seit Wochen begleitete, hatte sich bislang nicht gelöst. Neben ihr angekommen, legte er den Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. „Du kannst dich entspannen.“
Irritiert sah Alexandra zu ihm auf.
„Ich bin froh, dass ich die Abteilungsleitung nicht übernehmen muss. Momentan arbeite ich in Teilzeit. Ich hätte meine Arbeitsstunden auf Vollzeit aufstocken müssen, um den Job als Abteilungsleiter gut zu machen. Für meine wahre Liebe, die Kunst, hätte ich nur noch am Wochenende Zeit gehabt. Insofern hast du mir einen Gefallen getan. Einen großen Gefallen, um genau zu sein. Ich musste mir keine Ausrede einfallen lassen, warum ich das Angebot ablehne.“
Sein Gesicht war zu einem jungenhaften Grinsen verzogen. Alexandra konnte ihm ansehen, dass er genau wusste, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte. Sie boxte ihn wütend in die Seite.
„Du Arsch. Und ich hatte die ganze Zeit ein fürchterlich schlechtes Gewissen, weil du dich so nett um mich gekümmert hast nach dem Brand. Ohne zu wissen, dass ich mich über dich beschwert habe.“
Er krümmte sich bei ihrem Boxhieb spielerisch zusammen, wie ein schwer getroffener Held. „Ummpf. Getroffen.“ Er richtete sich wieder auf und hielt ihr seine rechte Hand hin. „Sind wir quitt?“
Alexandra schlug ein. „Quitt.“
Er hielt ihre Hand fest und zog sie wieder an sich, wie zum Tanzen. Und als ob nichts gewesen wäre, tanzte er mit ihr aus dem Atelier heraus, geradewegs in Thessmanns Arme. Hannes bremste. Sie begrüßten sich und Hannes überließ Alexandra Thessmanns Umarmung. „Ich gehe an den Grill, Frank unterstützen, der braucht auch ein Bier, so wie ich.“ Er winkte ihnen zu und verschwand über die Tanzfläche.
„Guten Abend!“ Thessmann freute sich offensichtlich. „Ich war schon auf der Suche nach dir.“
„Harald. Wie schön, dass du es noch geschafft hast.“ Alexandra freute sich auch. „Gut siehst du aus!“
„Danke.“ Er lächelte sie an. „Du auch. Ich bin spät dran, ich weiß. Aber meine seelsorgerischen Arbeiten lassen sich manchmal nicht auf die Minute bestimmen. Tut mir leid.“
Alexandra lachte. „Wieso? Sändi läuft doch hier irgendwo rum. Oder musstest du ihrem trächtigen Hund Beistand leisten?“
Er lachte. „Nein. Leider war es ein ernsthafter Anlass. Aber kein Grund, auf deiner Party weiter darüber zu sprechen. Wie war deine Einweihung? Erzähl mal!“
Sie gingen Arm in Arm zurück zu den anderen und Alexandra erzählte wie ihr Tag verlaufen war. Und dann war ihr Bedarf an ernsthafter Unterhaltung gedeckt. Sie wollte nur noch feiern und langsam löste sich die Anspannung des Tages. Sie trank mit Doro auf ihre gelungene Einweihung, lästerte mit Caro über Sändi und andere Schönheiten und rettete nach einer Stunde Andrea aus Olivers Fängen. Sie alberte mit Arno und Frank und spielte eine Runde „Fischer, Fischer, wie tief ist das Wasser?“ mit den Kindern. Sie startete mit Thessmann den Versuch einen Tango zu tanzen, den sie aber lachend abbrechen musste, während Thessmann zur Freude der Kinder mit einer Rose quer im Mund und einer imaginären Alexandra fertig tanzte.
Am Ende der Party war sie erschöpft und müde, aber glücklich, und mit ihren letzten Gästen saß sie um ein kleines Lagerfeuer im Garten zwischen Hannes’ Haus und der Atelierwohnung.
Oliver war mit Fritzi und Johanna nach Hause gefahren, die Kinder waren im Verlauf des Abends mit einem Elternteil nach Hause gelaufen und lagen hoffentlich schlafend im Bett, wie Caro feststellte. Der Rest saß mit Doro singend am Feuer. Es hatte lange gedauert, bis Alexandra feststellte, dass Hannes nicht dabei war und erst als sie im Bett lag, hörte sie aus dem Atelier die typischen Geräusche seiner Arbeitswerkzeuge.
Die letzte Augustwoche war so entspannt, wie Alexandra lange keine Zeit mehr erlebt
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