Rheingau-Roulette
fahren?“
„Am zweiten Septemberwochenende. Das heißt, wenn das Wetter gut ist.“
Die beiden Frauen erschraken, im Vorbeifahren hupte ein Auto mehrfach und auf der gegenüberliegenden Spur donnerte ein LKW vorbei, dessen Fahrer zweideutige Bewegungen aus dem Fenster machte.
„Komm, lass uns zurück in den Wald laufen, hier an der Straße ist es unerträglich.“
Alexandra sah Gina überrascht an. Ihre Stimme klang gepresst und ihre Augen waren weit aufgerissen, so als habe sie sich eben über etwas erschreckt.
„Gina? Alles klar bei dir?“
Geistesabwesend nickte Gina, aber sie sagte nichts mehr.
Alle Konversationsversuche Alexandras endeten in eintönigen „Hmhms“ und nach einiger Zeit gab sie es frustriert auf, ein Gespräch in Gang zu bringen. Schweigend liefen die Frauen in normalem Tempo zurück zu ihrem Ausgangspunkt und nach ihren Dehnübungen verschwand Gina mit einem kurzen und knappen: „Tschüss, wir sehen uns übermorgen“.
Alexandra wunderte sich. Irgendetwas hatte Gina beim Laufen gesehen, das ihr Sorge zu machen schien, aber sie wusste nicht was. Und reden mochte sie offensichtlich nicht darüber. Sie seufzte. Vielleicht sah sie auch schon grüne Kaninchen. Langsam trabte sie zu ihrem Fahrrad und überprüfte es sorgfältig auf Manipulationen, so wie es seit jenem Abend bei Hannes immer machte, wenn sie das Rad längere Zeit unbeaufsichtigt stehen ließ. Es war unversehrt, nur ein Vogel hatte ihr einen grau-weißen Klecks auf dem Sattel hinterlassen. Müde schwang sie sich aufs Rad. Sie musste noch duschen und dann musste sie in die Praxis. Bis zum frühen Nachmittag hatte sie Therapien, dann war sie mit einer Maklerin verabredet, die ihr drei Wohnungen zeigen wollte.
Ihr Auto war heiß und stickig. Alexandra kam von ihrem Maklertermin, der nicht so erfolgreich verlaufen war, wie sie sich erhofft hatte. Leider nicht, wie so viele Wohnungsbesichtigungen in den letzten Tagen. Sie ärgerte sich. Dummerweise hatte sie keinen Parkplatz im Schatten finden können und musste jetzt im heißen Auto nach Hause fahren. Sie ließ die Fensterscheiben runter und seufzte.
Die Wohnung, die sie sofort hätte beziehen können, war dunkel und teuer. Außerdem ohne einen Balkon oder Garten und da Hannes ihr zugesagt hatte, die Atelierwohnung die nächsten vier Wochen nicht an Gäste zu vermieten, hoffte sie, noch etwas Besseres zu finden. Die zwei anderen Wohnungen hatte sie sich erst gar nicht angesehen. Die Maklerin hatte nicht verstanden, dass sie nicht nach Berlin wollte, auch nicht in den Außenbezirk.
Sie blinzelte in die Sonne und überlegte, was sie mit dem verbliebenen Nachmittag anfangen könnte. Caro hatte heute keine Zeit, sie hatten sich für den morgigen Abend verabredet. Sie freute sich schon darauf. Aber heute hatte sie noch nichts weiter vor und ihr war nach Gesellschaft. Vielleicht könnte sie noch eine Fahrradtour machen und zu Doro fahren.
Alexandra parkte ihren Wagen an der Scheune. Sie würde ihn heute Abend hier draußen stehen lassen, das Scheunentor war verschlossen, nur die Schlupftür des großen Tores stand offen. Als sie sich umdrehte, um ihre Handtasche aus dem Wagen zu nehmen, sah sie Hannes, der mit schnellen energischen Schritten auf sie zukam.
Wut strahlte er aus. Seine Haare standen wild vom Kopf ab, seine Augen sprühten, die Körperhaltung drückte Spannung, Zorn und noch etwas Undefinierbares, aber höchst Bedrohliches aus. Dicht vor ihr blieb er stehen.
„Warum?“
Alexandra blickte ihn irritiert an. „Was, warum? Warum ich hier parke? Die Scheune ist zu. Stört dich das? Ich kann ihn auch vom Hof fahren......“
Hannes griff nach ihrer Hand, als sie die Fahrertür öffnen wollte, und hielt sie fest. „Warum? Was hab ich dir getan? Warum tust du das?“
Erschrocken sah ihn Alexandra an. „Was denn?“
„Was hat dir Judith erzählt? Warum machst du mit ihr gemeinsame Sache?“
Bei jedem „Warum“ kam er noch ein Stück näher und presste Alexandra gegen das Auto. Ihre Arme hatte er am Handgelenk gefasst und hielt sie fest, als ob sie in einen Schraubstock gespannt wären. Sein Körper vibrierte und Alexandra spürte, wie die Ratlosigkeit über die seltsame Situation ihre Gedanken vernebelte. Verständnislos schaute sie ihn an. Was war denn mit ihm los? Warum war er so aufgebracht, entrüstet und so voller Wut?
Verwirrt fragte sie ihn: „Judith? Bitte, nicht schon wieder diese Judith!“
„Ich habe euch
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