Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
Vom Netzwerk:
ist nicht so problematisch. Wir haben einen Freund hier im Ort, der hat einen alten Hof gekauft und in seiner Scheune ist noch viel Platz.“ Caro griff zum Telefon. „Ich klär das mit ihm und du rufst jetzt Jane an.“
     
     
    Als Alexandra einen Tag später ihre persönlichen Sachen aus der gemeinsamen Wohnung holen wollte, hatte Leila schon die ersten Umzugskartons im Flur abgestellt. Oliver war zu Hause, aber mit ihm zu sprechen gelang ihr nicht. Ihre Stimme war weg. So sehr sie sich auch mühte, sie bekam keinen Ton raus. So schrieb sie ihm nur einen Zettel mit der Bemerkung, dass sich Caro um alles kümmern würde, packte eilig ihre privaten Dinge zusammen und verließ fluchtartig die Wohnung. Caro organisierte den Umzug, das Einlagern der Möbel und Oma Liesel sorgte dafür, dass ein Anwalt sich um den Ausstieg aus der Praxis kümmerte. Alexandra war eineinhalb Wochen nach jenem Nikolaustag in Edinburgh und wanderte auf Arthurs Seat. Das Wetter in Schottland war sehr schottisch. Der Wind wehte stark und frostig von der See über das Land. Diffuses Licht hing über dem Firth of Forth und das Land schien genauso depressiv verstimmt zu sein wie Alexandra. Manchmal lag Schnee in der Luft und hinterließ Spuren des Frostes auf den Häusern, die aber meist den Tag nicht überlebten.
    Das nahende Weihnachtsfest war für Alexandra so qualvoll und traurig wie ein bitterer Cocktail, trotz der Mühe, die sich die Familie gab, sie von ihrem Liebeskummer abzulenken. Sie nahmen sie mit zu einer Museumstour in Edinburgh, machten einen Kunsttrip nach Glasgow und fuhren mit ihr in die Cairngorm Mountains zum Skifahren. Alexandra erzählte Jane von ihrem unerfüllten Kinderwunsch, und wie ihre privaten Träume mit Oliver zerplatzt waren. Jane, Sporttherapeutin in einer psychiatrischen Klinik, verordnete ihr Allheilmittel bei Depressionen: Joggen. Sie jagte Alexandra bei Wind und Wetter nach draußen und trainierte sie, bis sie imstande war, eine Stunde am Stück ohne Unterbrechung zu laufen. Dann schickte sie Alexandra allein los, mit genauen Streckenangaben, die sie absolvieren musste. Nach vier Wochen regelmäßigen Lauftrainings konnte Alexandra ohne Pause zwei Stunden am Stück laufen und tat es mit steigender Begeisterung. Eine ihrer wiederkehrenden Laufstrecken durch die Stadt führte sie an einem Tattoo Studio vorbei. An einem der wenigen Tage, in denen die dichte schottische Wolkendecke die Sonne durchließ, entschied sie sich spontan ihren Lauf zu unterbrechen und folgte ihrer Eingebung. Als sie nach Hause kam, hatte sie einen kleinen schwarzen Stern unterhalb ihres linken Schlüsselbeins tätowiert. Ein Sternchen für ihr Sternenkind.
    Tagsüber kam ihre seelische Ausgeglichenheit Stück für Stück zurück und langsam wich der dauernde, bohrende Schmerz über ihr abgebrochenes Leben mit Oliver einer vorsichtigen Hoffnung auf ein neues, anderes Leben. Nur nachts kam der Schlaf erst, wenn sie um ihr altes Leben geweint hatte. Sie begann schrittweise die Vorzüge des Single-Daseins wahrzunehmen. Ab und zu ging sie mit Jane ins Pub und flirtete sogar hin und wieder mit einem netten schottischen Bauern. Sie fühlte, wie ein Hauch von Frühling wehte und der Winter nach und nach seine Kraft verlor. Ein Frühling, der ihr ihre Lebensgeister zurückbrachte. Gerade, als ihr seelischer Auftrieb so groß war, dass sie ernsthaft über eine berufliche Zukunft in Schottland nachdachte, kam die Todesnachricht von Oma Liesel. Für Alexandra brach die Welt erneut zusammen. Jane war ihr in dieser Zeit eine mütterliche Freundin, konnte ihr aber Caro nicht ersetzen. Und Alexandra wusste, dass sie nach Hause musste, um Caro beizustehen, ihr die Unterstützung zu geben, die ihr Caro vor wenigen Wochen gegeben hatte.
     
    Vierzig Minuten gelaufen, fünfzehn Minuten Dehnungsübungen – Alexandra fühlte sich ausgelaugt, nicht zuletzt, weil sie ihre Gedanken an Oliver, das Kind und Leila nicht verdrängen konnte. Langsam und abgekämpft ging sie nach Hause. Die Sonne hatte die gleiche Kraft wie die vergangenen Tage und der Weg nach Hause führte an ausgetrockneten Feldern, staubigen Straßen und verwilderten Gärten entlang. Vor einem der Gärten sah sie Stella stehen. Die Hände im Rücken, in der typischen Stellung einer Hochschwangeren, stand sie am Gartentor und blickte versonnen in den Garten.
    „Hallo Stella.“
    Alexandra grüßte sie lächelnd. „Kannst du dich an mich erinnern? Caros Party am letzten Samstag?“
    „Na klar

Weitere Kostenlose Bücher