Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
Vom Netzwerk:
war. Dezent. So fühlte sie sich am wohlsten. Und so hatte sie Hannes gefallen.
    Sie würde einen Plan machen. Einen Eroberungsplan. Und eine Vertreibung aus dem Paradies würde es auch geben. Judith lächelte sich im Spiegel an. Und sie würde endlich wieder mit ihm zusammenleben. Auf seinem Hof.

2. Kapitel: Mai
     
    Sie hatten sich am ersten Mai um neun Uhr morgens verabredet, aber Alexandra war schon klar, dass diese Uhrzeit nicht einzuhalten war. Im Hause Caro herrschte bei drei Kindern, Hund und einem manchmal arg schusseligen Ehemann eine andere Zeitrechnung. Sie beeilte sich daher nicht, als sie sich um halb neun aus dem Bett quälte. Mitten in der Nacht, um halb drei war sie wach geworden, schweißnass. Die drückende Schwüle war anstrengend und nahm ihr den entspannenden Schlaf. Gerade, als sie wieder am Wegdämmern war, fingen die Vögel im Garten mit Gezwitscher und lautstarken Gesängen ihren Tag an. Alexandra brauchte lange, bis die Müdigkeit überhandnahm und der Schlaf endlich kam. Als ihr Wecker um acht Uhr morgens schrillte, fühlte sie sich wie zerschlagen, so, als ob sie die Nacht mit viel Alkohol durchgemacht hätte.
    Müde blickte sie aus dem Fenster und bemerkte, dass es geregnet haben musste. Nicht sehr viel, aber der Morgen war trotz seiner Wärme kühler als die vergangenen Tage, es roch nach Feuchtigkeit und auf der Fensterbank stand eine kleine Pfütze. Der Nachrichtensprecher im Radio sagte einen sehr warmen Tag voraus und angesichts dieser Aussichten fragte sie sich, ob es nicht besser wäre, ins Schwimmbad zu gehen, anstatt sich mit dem Fahrrad bei der Wärme durch das heiße Brandenburger Land zu quälen. Vielleicht könnte sie die Ausflugsgruppe für die Idee erwärmen. Die Sonne strahlte hell und der Himmel war so blau, wie an einem Tag im Hochsommer.
    Sie hatte sich einen elektrischen Wasserkocher zugelegt, damit sie nicht immer mit Oma Liesels fürchterlichem alten Boiler in der Küche kämpfen musste, und machte sich einen schnellen Instantkaffee. Ein kurzer Blick in den Briefkasten erinnerte sie daran, dass heute ein Feiertag war und keine Zeitung zu erwarten war. Lediglich ein paar Werbeblättchen waren eingeworfen worden. Alexandra nahm sie und studierte sie geflissentlich, während sie ihren Kaffee genoss. Nichts, was einen Gang zum Discounter notwendig machen würde. Langsam stand sie auf, dehnte und streckte sich, um die Müdigkeit abzuschütteln, die sich in ihren Knochen festgesetzt hatte.
    Der Ort war noch ruhig, aber das würde sich über den Tag ändern. Die Ausflügler aus dem südlichen Berlin würden das gute Wetter nutzen und hier scharenweise mit Fahrrädern am Café zum See einfallen. Im Ort würden vermutlich Traktoren mit Anhängern voller alkoholisierter Kegelclubs und Gymnastikgruppen fahren, anstatt mit Bauern, die ihre Felder bestellten. Sie packte ihren Bikini und ein Handtuch in ihren Rucksack und ging unter die Dusche. Sie machte sich nicht die Mühe, den Boiler anzuschalten, es war warm genug für eine kalte Brause. Dachte sie. Alexandra holte tief erschrocken Luft, als das Wasser aus der Brause über ihren Körper rann, die Eiseskälte nahm ihr im ersten Moment den Atem. Wenigstens wurde sie dadurch wach, wenn sie auch wehmütig an die Dusche in ihrer alten Wohnung dachte, die über eine Temperaturregelung und einen Massagestrahl verfügte.
    Sie schrubbelte sich kräftig mit einem rauen Handtuch ab, bis ihre Haut gerötet war. Nicht an die alte Wohnung und ihren Komfort denken. Vorwärts denken und nicht rückwärts. Sie bremste sich, als ihr auffiel, wie sehr sie noch immer ihre Haut bearbeitete. Nicht an Oliver denken. Sie musste lachen, als sie sich diesen Satz laut vorsagte. Es war wie ‚Denken Sie jetzt nicht an einen blauen Elefanten’. Es ging einfach nicht. Natürlich musste sie jetzt an Oliver denken ... und an blaue Elefanten. Erheblich aufgeheitert stellte sie sich vor den Spiegel und sagte laut: „Eins nach dem anderen.“ Wenn sich ihre berufliche Situation geklärt hätte und sie wieder eine Praxis und ein regelmäßiges Einkommen hätte, dann würde sie die Hausrenovierung angehen. Oder den Abriss. Sie beendete ihre Morgentoilette mit Zähneputzen und einem leichten Make-up und band ihre noch nassen Haare zu einem Zopf auf dem Oberkopf zusammen. Sie warf noch etwas Wechselwäsche in den Rucksack und machte sich mit ihrem Fahrrad auf den Weg zu Caro.
    Dort angekommen stand wider Erwarten ein Teil der Ausflugsgruppe schon abreisefertig

Weitere Kostenlose Bücher