Rheingau-Roulette
die bleiben am längsten“, und verstummte. Dieters Hand legte sich auf ihre und drückte sie kurz und fest.
Alexandra streckte sich neben ihm auf die Decke, nahm sich ihr Buch und bemühte sich, den einen oder anderen Satz nicht nur zu lesen, sondern auch inhaltlich zu erfassen. Nach einer halben Stunde gab sie seufzend auf und beobachtete Charlotte, die ihrer Puppe eine Haarkur mit Tsatsiki machte. Alexandra war zu träge, um einzugreifen und tröstete sich damit, dass ein Bad im See den größten Dreck an der Puppe lösen würde.
Sie wachte auf, als Caro ihr Kaffee unter die Nase hielt. Schlaftrunken öffnete sie die Augen. „Wo kommt das her?“
„Aus dem Anhänger“, sagte Caro. „Neben dieser Tasse wirklich leckeren Kaffees, hätte ich auch noch ein Stück Nusskuchen anzubieten. Mit Limettenguss.“
„Hm, klingt lecker. Du bist wie eine Mama zu mir!“ Alexandra räkelte sich und rieb sich verschlafen die Augen.
„Wo sind die anderen?“
„Die machen gerade einen kleinen Gang um den See.“
„Himmlische Ruhe. Wie spät ist es denn?“
„Gerade halb drei. Wir wollen in einer halben Stunde bis Stunde aufbrechen. Die Sonne knallt zwar immer noch, aber wir haben beschlossen, bei Hannes vorbeizuschauen. Da können wir uns zumindest eine Runde im Schatten ausruhen, bis wir nach Hause kommen.“
„Wieso zu Hannes? Wohnt der hier in der Nähe?“ Alexandra gähnte verschlafen und biss in den Nusskuchen.
„Nicht direkt, er wohnt auch in Rangsdorf. Ihm gehört der alte Dreiseithof am Waldrand.“
„Aber dann sind wir doch fast zu Hause, dann können wir doch auch gleich nach Hause fahren.“
„Na ja, könnten wir schon. Uns treibt die Neugierde zu Hannes. Arno wollte sich den Umbau anschauen. Hannes hat sein Atelier erweitert und die kleine Einliegerwohnung fertig. Du kannst ja nach Hause fahren, wenn du keine Lust hast mitzukommen. Ich dachte nur, du könntest mal einen Blick auf deine Sachen werfen.“
Alexandras Blick zu ihrer Cousine war kritisch. Sie wischte sich die letzten Kuchenkrümel vom Mund. „Du meinst wirklich meine Möbel oder meinst du, ich soll noch mal einen Blick auf Hannes werfen?“
„Och“, Caro feixte, „kann ja beides nichts schaden, oder?“
Alexandra überlegte gerade, ob sie es schaffen würde, ihre Cousine ins Wasser zu werfen, als Natz, Josie, Charlotte mit den Männern um die Ecke kamen und lautstark den Aufbruch forderten. Arno hatte mit Hannes telefoniert und der hatte erwähnt, dass er Eis im Hause hätte. Daraufhin ließen seine Töchter alle gesammelten Steine, Hölzchen und trockenen Tannenzapfen fallen, die sie am Ufer gefunden hatten, bestanden auf der sofortigen Rückkehr zum Picknick-Platz und zum Aufbruch. Es dauerte dennoch eine gute halbe Stunde, bis alle Sachen verpackt waren. Zwischendurch hatte Natz mit ihrer Mutter eine heftige Diskussion, weil Natz einen vertrockneten Frosch gefunden und mitgenommen hatte und ihn in einer der Lebensmitteldosen verstaut hatte. Zwischen Tomaten und Möhren guckte der tote Frosch unter dem Deckel hervor und Caro musste sich sehr zusammennehmen, um nicht hysterisch „Iiieeeeh“ zu schreien. Erst nachdem Arno den Frosch in der Seitentasche seines Rucksackes gesteckt hatte und seiner Tochter versprach, auf das kostbare „Fossil“ aufzupassen, entspannte sich die Situation wieder.
Die kleine Ausflugsgruppe brach auf. Sie fuhren am Rande großer Felder entlang, bis sie zur Hauptstraße kamen, die sie queren mussten. Eine Pferdekutsche, die mit lauthals grölenden Jugendlichen besetzt war, zockelte gemächlich über die Landstraße. Als Alexandra der Kutsche hinterher blickte, sah sie Thessmann, der ihnen fröhlich zuwinkte.
„Caro!“, rief Alexandra und zeigte auf den Wagen, „Thessmann!“
„Ich weiß. Der macht mit seinen Konfirmanden eine Tour. Hat er mir erzählt.“ Caro lachte fröhlich. „Der wird noch Spaß haben mit den Jungbullen und den Färsen ...“
„Du bist mir entschieden zu ländlich in deiner Ausdrucksweise. Was ist eine Färse?“, fragte Alexandra ihre Cousine.
Caro grinste kess: „Das Gegenteil von dir! Eine junge Kuh!“
„Booaah, du ... du ...“, Alexandra musste lachen und es fiel ihr auf die Schnelle keine entsprechende Antwort auf die Frechheiten ihrer Cousine ein.
Arno lachte vergnügt: „Bevor ihr euch weiter in ländlicher Form beschimpft, denkt dran, die Kinder hören jedes Wort und außerdem: Wir sind da!“
Hannes’ Hof war ein offener Dreiseithof.
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