Rheingau-Roulette
zugewandte Teil war eine Ausstellung. Zwischen den Objekten standen riesige Pflanzen und Leuchtobjekte, die den Eindruck von Zauberwald verstärkten. Man konnte sich zwischen den Figuren, den Objekten bewegen, sah plötzlich Bewegungsrichtungen, die eine Gestalt, eine Figur in einem ganz anderen Sinnzusammenhang erschienen ließen. Lichtverhältnisse änderten sich von einem Gang zum anderen plötzlich von dunklem Urwaldgrün zu grellen Pinktönen oder kleinen bunten, punktuell angeordneten Leuchtdioden.
Alexandra war beeindruckt. Sprachlos folgte sie dem markierten Weg, der durch die Skulpturen führte. Sie wusste nicht, wohin sie mit ihren Blicken zuerst wandern sollte und blieb schließlich an der Galerie hängen, die über eine metallene Treppe im hinteren Bereich des Ateliers zu erreichen war. Dort oben war ein loungeähnlicher Raum eingerichtet. Breite dunkle Polstermöbel vor einer riesigen blau-silbrig getönten Wand standen so, dass man über die Glasfront des Geländers einen ungehinderten Blick auf die Ausstellung hatte.
„Ich bin fasziniert“, sagte Alexandra, noch immer überrascht über den Eindruck, den das Atelier in ihr wachrief.
„Sind das alles deine Arbeiten?“
„Nicht alles. Aber viele.“
Hannes begleitete sie durch die Ausstellung und zeigte die Arbeiten, die nicht von ihm waren. Es waren wenige.
„Du musst ein brillantes Zeitmanagement haben! Wie kann man so viele Kunstwerke erarbeiten, dann noch außer Haus arbeiten gehen und einen alten Hof renovieren? Geschweige denn davon, ein so riesiges Anwesen in Schuss zu halten?“ Alexandra schüttelte den Kopf. „Das Arbeitspensum kann man doch nicht schaffen, jedenfalls nicht als normaler Mensch!“
„Vielen Dank für die kurze Beschreibung als manischer Workaholic, Frau Therapeutin!“
Hannes grinste und sein kühler Tonfall war ironisch. Aber sein Grinsen erschien herzlich und war das erste wirklich freundliche Zeichen, das sie ihm heute entlockt hatte.
„Entschuldige. War nicht als Diagnose gemeint!“ Alexandra grinste zurück. „Nimm´s als Einladung, mir zu erzählen, wie du das geschafft hast?“
„Sagen wir, unvorhergesehene Umstände haben mich gezwungen, mich fast zwei Jahre nicht aus dem Haus zu bewegen. Da bekommt man schon ne Menge geschafft!“
„Du warst zwei Jahre nicht draußen? Hattest du Hausarrest oder was?“
„So ungefähr. Komm, lass uns zu den anderen gehen.“
Sein Tonfall bremste Alexandra Neugierde augenblicklich. Sein stimmlicher Ausdruck beinhaltete eindeutig die Aussage: „Frag nicht nach! Es geht dich nichts an!“
Sie wanderten durch die Ausstellung zurück. Als sie an einem Haufen aus zerbrochen Statuen vorbeikamen, hielt Alexandra an.
„Und hier zerstörst du alle Werke, die nicht nach deinen Wünschen gelungen sind? Das sieht brutal aus!“
„Ja, das ist brachiale Zerstörungswut. Und nein. Das ist nicht mein Arbeitsfriedhof.“
Er legte Alexandra den Arm um Schulter und leitete sie mit unmissverständlichem Druck an dem Scherbenhaufen vorbei. Schon wieder ein Fettnäpfchen. Die Stimmen von Caro und den Anderen erschienen Alexandra plötzlich lauter und dennoch entfernter. Er roch gut. Viel besser, als er bei der schwülen Hitze riechen dürfte und seine Hand war warm, aber nicht unangenehm auf ihrer Haut.
Und er hatte mindestens zwei Geheimnisse.
Sie machten mit den anderen zusammen eine Besichtigung der Lounge auf der Empore. Gedacht und angelegt war er für Verkaufsgespräche. Die Sitzecke ermöglichte einen ungehinderten Blick auf die Ausstellung und bot durch die riesigen Fenster eine unglaubliche Aussicht nach draußen.
„Du kannst hier abends sitzen und das Rehwild beobachten, oder?“, sagte Dieter begeistert.
„Ja. Theoretisch könnte ich es auch schießen, so gut habe ich sie im Blick. Aber wäre schade um die Fenster.“ Hannes gähnte. „Außerdem laufen hier auch manchmal Menschen rum. Könnte Ärger geben, wenn ich einem Spaziergänger einen Blattschuss verpasse.“ Hannes gähnte erneut.
„Zeit zum Aufbruch“, forderte Arno die Reisegesellschaft auf. „Sonst frisst uns Hannes noch, so wie er seinen Mund aufreißt.“
„Nein, nein, so war das nicht gemeint! Lasst euch durch mein Gähnen nicht zum Aufbruch hetzen. Ihr könnt auch ohne mich weiter hier sitzen ...“
Caro klappste Hannes mit der Handfläche zart auf das Knie. „Wir haben dich schon verstanden, Schatz. War wohl ein harter Tag?“
„Sehr hart. So hart ist kein Schwa ...“ Im
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