Rheingau-Roulette
auf Hannes? Während sie in ihrem Rucksack nach Taschentüchern kramte, kam Hannes keuchend auf den Hof zurück.
„Niemand zu sehen. Ich war zu langsam.“ Er begutachtete ihr blutendes Bein. „Warte, ich hole dir einen Lappen.“
„Nicht nötig. Ist nur eine kleine ärgerliche Schramme.“
Alexandra wischte sich wütend das Blut mit dem Taschentuch ab.
„Verdammt. Erst mein Fahrrad und dann noch das hier. Wer wirft denn hier mit Steinen? Hast du mit jemandem Ärger?“
„Möglicherweise.“
Kurz angebunden bedeutete ihr Hannes ins Auto einzusteigen und leise beunruhigt stand Alexandra auf. Da war wieder dieses ungute Gefühl, das sie befiel, wenn seine Stimme in einer bestimmten Tonlage war. Irgendetwas Unangenehmes verband sie damit. Wenn sie sich nur erinnern könnte. Seufzend stieg sie in das Auto ein. Vielleicht doch alles nur eine auditive Halluzination.
„Soll ich dich zu Caro fahren oder willst du nach Hause?“
„Nach Hause bitte.“
Sie sagte ihm ihre Adresse, was er mit einem schmalen Lächeln quittierte. „Ich weiß, wo du wohnst!“
Das war das Einzige, was sie miteinander sprachen, bis sie vor Alexandras Haus standen. Hannes parkte das Auto direkt vor dem Gartentörchen.
„Wenn es dir recht ist, würde ich gern einen Blick in das Haus werfen.“ Er saß auf dem Fahrersitz, die Hände lässig auf das Lenkrad gelegt und sah sie an. Sein Gesichtsausdruck war nichtssagend.
Zögernd antwortete Alexandra. „Warum?“
Hannes in ihr Haus zu lassen, erschien ihr unklug. Der Gedanke daran, dass er in ihrem Wohnzimmer, respektive dem ihrer Großmutter, stehen könnte, beklemmte sie. Er würde zu viel Raum einnehmen. So wie er auch dieses Auto mit seiner Präsenz ausfüllte und ihr die Luft nahm.
Hannes sah einen Moment schweigend auf das Lenkrad. Dann sagte er leichthin: „Sagen wir, ich möchte mich vergewissern, dass der kaputte Reifen und der Pflasterstein Zufälle sind.“
Alexandra sah ihn entsetzt an. „Was meinst du damit?“
„Was soll ich damit meinen?“ Er zog den Schlüssel ab und stieg aus. Alexandra folgte ihm durch den Vorgarten. Hannes stand vor der Haustür und zeigte auf einen Gegenstand, der direkt davor lag.
„So etwas meine ich zum Beispiel!“
Vor ihren Füßen lag eine tote Ratte. Alexandra würgte. Der Gestank des halbverwesten Tieres war atemraubend.
„Alex, gib mir den Haustürschlüssel, ich schließe auf.“
Ohne Widerworte reichte sie Hannes die Schlüssel, verzog sich ein paar Meter entfernt auf einen alten klapprigen Gartenstuhl und versuchte ihren Brechreiz zu unterdrücken. Schockiert schaute sie Hannes zu, der erst im Haus verschwand und kurze Zeit später mit einer Plastiktüte wieder auftauchte. Die Tüte über die Hand gestülpt nahm er die Ratte auf, stopfte sie in eine weitere Plastiktüte und entsorgte das Tütenpaket in den Mülleimer neben der Eingangstreppe. An der Stelle, an der die Ratte lag, war nur noch ein dunkler Fleck zu erkennen. Alexandra raffte sich auf, um aufzustehen und der Verfärbung mit einem Putzlumpen zu Leibe zu rücken, da stand Hannes schon mit dem Gartenschlauch auf der Treppe und spritzte mit einem harten Wasserstrahl den Fleck weg.
Alexandra beobachtete ihn. „Hattest du nur eine Ahnung, oder woher wusstest du, dass die Vorfälle bei dir im Hof keine Zufälle sind?“
Hannes wischte sich wortlos die Hände an der Hose ab.
„Warum legt mir jemand eine tote, halb verweste Ratte vor die Tür? Ich wohne noch nicht lange hier, habe niemanden beleidigt. Die meisten Leute hier sind mir fremd!“ Alexandra schüttelte hilflos den Kopf.
„Mach dir keine Gedanken. Ich glaube, es hat gar nicht so viel mit dir persönlich zu tun!“
Hannes kühle Stimme erklang und erschien ihr gepresst. Er räusperte sich. „Ich vermute, hier haben ein paar Jugendliche einen dummen Streich an dir ausprobiert.“
Alexandra hob die rechte Hand und zählte an den Fingern ab.
„Sachbeschädigung, Körperverletzung und Hausfriedensbruch. Bisschen viel für einen dummen Jugendstreich. Und ziemlich aggressiv für etwas, das ich nicht persönlich nehmen soll, findest du nicht?“
Zornig stapfte sie die Treppe zu ihrer Haustür hoch. Hannes stand ihr auf der obersten Stufe im Weg, rührte sich aber nicht von der Stelle und sah nachdenklich auf sie herab.
„Okay, du bist nicht die Erste, der das passiert ist. Deshalb sollst du dich ja nicht aufregen. Es lässt nach ein paar Wochen nach.“
„Nach ein paar Wochen ...“
Alexandras
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