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Rheingau-Roulette

Rheingau-Roulette

Titel: Rheingau-Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sia Wolf
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diesen Abschnitt erweitert, aber sie war nicht zufrieden mit dem Verlauf ihres Trainings. Der harte Asphalt des Weges tat ihrer Tempoarbeit nicht gut.
    Alexandra nahm ihr schnelles Tempo raus und lief in ihrem normalen Laufrhythmus weiter. In etwa zwei Kilometern würde sie auf ihre ursprüngliche Laufstrecke entlang des Sees zurückkehren. Dann würde sie noch einmal eine Tempoverschärfung einlegen und so schnell sie konnte über den schmalen Pfad, der einen elastischeren Boden als die Straße bot, rennen.
    Mittlerweile hatte sie sich einen regelmäßigen Trainingsrhythmus angewöhnt. Sie lief dreimal in der Woche, morgens früh, meist vor sieben Uhr, dann, wenn sie sich nach mehr oder weniger schlaflosen Nächten ohnehin nicht mehr im Bett aufhalten mochte. Die Strecke, die sie lief, war bisher immer die Gleiche. Der heutige Abstecher war die erste Ausnahme, die sie seit Beginn ihrer Laufarbeit hier machte. Sie würde sich weitere Trainingsstrecken zulegen müssen, wenn sie sich tatsächlich entscheiden würde, einen Marathon zu laufen. Sie seufzte. Der iPod gab gerade den letzten Hauch von sich. Akku alle. Alexandra ärgerte sich über sich. Ständig vergaß sie, ihr Ladegerät an den Strom zu hängen. Jetzt würde sie den Rest der Strecke ohne Musik laufen müssen und das mochte sie überhaupt nicht.
    Wollte sie sich wirklich einen Marathon antun? Sie hatte gelesen, dass es einen Faktor gab, mit dem man anhand seiner Laufzeiten einen Anhaltspunkt für seine Marathonzeit berechnen kann. Bei ihrer Laufzeit auf zehn Kilometern ergab das Ergebnis knapp viereinhalb Stunden auf die Marathondistanz. Dieses Ergebnis setzte ein konsequentes Training voraus, sie müsste sich einen Trainingsplan schreiben und, das war viel schlimmer, sich auch daran halten. Bei dem Gedanken, in der Vorbereitung auf den Marathon stundenlang allein durch das Brandenburger Land zu laufen, war sie gespalten.
    Einerseits genoss sie es, durch das Joggen zu entspannen, ihren Gedanken nachzuhängen und die Belastung und Auslastung ihres Körpers zu spüren. Und sie genoss es zweifellos, wenn sie nach dem Laufen erschöpft von der Anstrengung, aber im Bewusstsein, etwas für sich getan zu haben, ihrem Körper Entspannung in Form einer warmen Dusche gönnte.
    Ja, die Dusche danach war das Beste am Laufen. Momentan lief sie etwa fünfzehn bis zwanzig Kilometer pro Woche. Bei einem Marathon würde sie zwischen vierzig und fünfzig Kilometer in der Woche laufen müssen. Das war das Gegenargument. Wenn sie sich überlegte, welche zeitliche Belastungen durch die neue Praxis und die Entscheidungen bezüglich Omas Haus und Grundstück auf sie zukämen, wäre sie möglicherweise schneller an ihrem Leistungslimit als ihr lieb wäre. Sie müsste mit jemanden sprechen, der ihre Versuchung, den Marathon zu laufen, verstehen kann und ihr mit Tipps zur Seite stehen könnte. Oder vom Marathon abrät.
    Caro war dafür definitiv die falsche Person. Sport in Maßen fand sie okay. Aber laufen? Und dann noch einen Marathon? Never ever. Alexandra musste lachen, als sie sich Caros Gesicht bei einer solchen Frage vorstellte. Entsetzt würde sie die Augen aufreißen und Alexandra nach den bewusstseinsverändernden Drogen fragen, die sie nehmen würde. Arno hatte mit Marathonlaufen auch nichts am Hut. Fahrrad fahren ja gern. Aber laufen? Niemals. Gift für die Knie.
    Hätte sie mit Oliver darüber reden können? Reden schon, verstanden hätte er sie nicht. Sein Credo war: Hätte der liebe Gott gewollt, dass wir laufen, hätte er die Erfindung des Motors verhindert. Oliver fand, dass er als Intellektueller genug Sport treibt, wenn er seine Gedanken zu philosophischen Spaziergängen ermuntert.
    Arschloch. Die Wut auf ihn kam genauso plötzlich, wie ihr Gedanke an ihn. Wieso fällt ihr beim Laufen immer dieses Arschloch ein?
    Unwillig bog sie in den kleinen Pfad ein, der am See entlang lief und vergaß Oliver. Sie lachte. Vor ihr hoppelten fünf Karnickel in einem gemütlichen Tempo über den Pfad, blieben am Rand stehen und mümmelten vor sich hin. Sie ließen sich auch von Alexandra nicht aufhetzen, die leise an ihnen vorüberlief und dem Pfad in den kleinen lichten Baumbestand folgte. Lautes Vogelzwitschern begleitete sie und erinnerte sie an eine Hinterhofsiedlung, in der sich zwei zänkische Weiber um die Putzwoche streiten.
    Zwischen den Bäumen wurde Bewegung sichtbar. Unverkennbar das Neonjäckchen, wie Alexandra grinsend feststellte. Als sie fast auf gleicher Höhe

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