Rheingau-Roulette
begleiten.
„Moment.“ Sie stellte die Dusche ab.
„Ich lege dir die Sachen vor die Tür.“
Alexandra griff nach dem Handtuch und trocknete sich ab. Sie spürte, wie die unerwartete Kühle des Gewitters aus ihren Gliedern verschwand. Hannes hatte ihr einen blauen Jogginganzug und Wollsocken vor die Tür gelegt. Sie musste lächeln. Er schien Erfahrung mit durchgefrorenen Frauen zu haben. Sie zog sich rasch an und legte ihren klitschnassen kurzen Rock und das schmale dunkelbraune Oberteil auf den Wannenrand. Ihre knappe Unterwäsche, die ebenfalls durchnässt war, legte sie dazu. Sollte er doch denken, was er wollte, wenn er es sehen sollte. Soweit sie seinen Brief verstanden hatte, hatte er ohnehin schon mehr gesehen, als ihr lieb sein konnte. Da würde die einfache weiße Wäsche ihn sicher nicht aus dem Konzept bringen. Es war spät, weit nach Mitternacht. Sie fand kein Licht. Vorsichtig tapste sie die Treppe herunter und tastete an der Wand entlang nach einem Schalter.
„Links, etwas weiter oben.“
Hannes kühle Stimme kam aus der Küche, aus der ein schmaler Lichtschein kam. Sie tastete erneut und fühlte eine kleine runde Erhebung, die sie eindrückte. Ein kleines Licht erhellte notdürftig die Eingangshalle. Sie betrat die Küche.
„Und, wieder warm und trocken?“ Hannes saß am Küchentisch, hatte eine Flasche Wein und zwei Gläser neben sich stehen und schien auf sie zu warten.
„Ja. Ein bisschen groß, aber gemütlich. Danke. Auch für die Socken.“
Er lächelte. „Kein Problem. Möchtest du noch ein Glas trinken?“
„Nein. Danke. Es ist spät, eigentlich möchte ich lieber nach Hause.“
„Hm. Ich dachte eigentlich, du bleibst heute Nacht bei mir.“ Er sagte es leichthin, aber so, dass es zweideutig klang. Alexandra sah ihn an. Hatte sie sich verhört? Es verschlug ihr förmlich die Sprache. Das meinte er doch wohl nicht im Ernst, oder? Er grinste.
„Keine Angst. Ich habe oben noch ein Gästezimmer. Zur Not, wenn dir das zu dicht an meinem Schlafzimmer ist, kannst du auch in der Atelierwohnung schlafen. Aber,“ sein Grinsen verflüchtigte sich, „aber nachdem du sicher meinst, dass jemand in deinem Haus war oder ist, halte ich es für besser, wenn du heute Nacht nicht nach Hause gehst.“ Er deutete auf das Fenster, durch das gespenstische Blitze leuchteten.
„Das Gewitter ist noch immer nicht vorbei. Ich weiß nicht, wie gut dein Haus bei diesem Wetter bewohnbar ist. Ich würde dort keiner elektrischen Leitung trauen.“
Alexandra schwieg. Er hatte Recht. Recht damit, dass nicht geklärt war, warum ihre Außenlampe brannte - die einzige Erklärung war, dass jemand an ihrem Sicherungskasten rumgefummelt hat. Und der war im Flur. Was nur bedeuten konnte, dass sich jemand Zugang zu ihrem Haus verschaffen konnte. Und er hatte Recht damit, dass die Elektrik des alten Hauses alles andere als vertrauenerweckend war. Sie seufzte.
„Also gut, du hast Recht. Mit allem. Ich bleibe.“
Sie zögerte einen Moment. „Aber ich möchte trotzdem keinen Wein mehr. Ich bin müde und möchte ins Bett.“
„Kein Problem. Ich zeig dir das Zimmer.“
Das helle Licht, das von draußen in das Zimmer schien, malte wilde Schattenbilder an die Wände. Alexandra schob die Decke vom Körper. Sie schwitzte. Das geöffnete Fenster ließ die morgendlichen Geräusche aufgeregter Vögel herein. Langsam schälte sie sich aus den Decken und sah sich um. Ein einfaches Gästezimmer, Schrank, Bett und Kommode. Die Wände waren weiß tapeziert. Es hingen einige Bilder mit rotem Mohn über der Kommode, ansonsten gab es keinen Wandschmuck. Am Bett stand ein kleiner Tisch mit Lampe und Wecker. Darüber hinaus gab es keine Gegenstände im Raum. Völlig untypisch für das Haus und für das, was sie bisher von Hannes kannte.
Die Uhr zeigte Viertel vor neun. Alexandra griff nach ihrer kleinen Handtasche und kramte nach ihrem Handy. Vier Anrufe in Abwesenheit sagte die Mailbox. Der erste war von Caro, gestern Nacht um halb eins, kurz, nachdem sie die Party fluchtartig verlassen hatte. „Alex, wo bist du? Das blöde Gewitter hat die Party in den Keller vertrieben. Melde dich!“ Der zweite Anruf war um Viertel vor eins. Wieder Caro. Alexandra lächelte. „Alex, melde dich bitte. Kein Mensch weiß, wo du bist und alle machen sich Sorgen. Das Wetter ist zu schlecht, um draußen zu schmollen!“
Der dritte Anruf kurz danach war von Hannes. „Alexandra, ich fahre jetzt los und suche dich im Auftrag von Caro. Sie
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