Rheingau-Roulette
...“
„Außerdem?“
„... könnten wir noch mal in Ruhe über unseren Streit und über fremde Besucher sprechen.“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung ihres Hauses.
Sie überhörte das Herzklopfen und wollte das warme Gefühl, das sich über ihren Magen legte, nicht spüren. Mit ihm allein zu Hause. Frisch geduscht, in seinen Klamotten. Mit einem Glas Wein in der Küche. In seiner Küche. Nein. Sie würde keine romantische Ebene zulassen. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht später. Nicht mit diesem Mann.
„Ich spreche mit dir nicht mehr über dienstliche Belange. Du hast gesagt, du trennst beruflich und privat. Ich tue das ab sofort auch.“
„Okay. Wie du willst.“ Seine Stimme klang normal und so gelassen, wie vor ihrem Streit.
Er bog in seinen Hof ein. Am Haupthaus brannte vor dem Treppenaufgang und an der Haustür jeweils eine schmale Leuchte, die warmes gelbes Licht verstrahlte.
„Willst du dir ein paar Sachen aus dem Stall holen oder reicht dir ein Jogginganzug von mir?“
Alexandra konnte nur zitternd nicken. Ganz bestimmt würde sie jetzt nicht im Stall nach irgendwelchen Klamotten suchen. Die Kisten waren noch immer unsortiert und der Stall sicher dunkel. Die Kälte hatte sich in ihren Eingeweiden breitgemacht und ihre Gedanken reichten nur noch bis zur Dusche. Heiß und kräftig sollte sie sein. Alles andere war egal.
Hannes fuhr bis zur Freitreppe und ließ das Auto direkt davor stehen. Sie liefen hastig durch den Regen ins Haus und Hannes schickte sie gleich weiter, die Treppe hoch. Die erste Tür, die sie öffnete, war die Schlafzimmertür. Das Zimmer war dunkel und viel mehr als seine schemenhaften Konturen konnte sie nicht erkennen.
„Das ist mein Schlafzimmer. Falls es dich interessiert. Die zweite Tür links ist das Bad.“ Hannes Stimme erklang hinter ihr. Und sie klang spöttisch. Wie immer, stellte sie entnervt fest. Alexandra wandte sich der nächsten Tür zu, die in ein Bad führte.
„Handtücher sind im Schrank. Bedien dich.“ Er war ihr gefolgt und öffnete einen Wandschrank voller Handtücher.
„Ich suche dir was zum Überziehen.“ Hannes verschwand und Alexandra sah sich in dem Badezimmer um. Es entsprach dem, was sie bisher von Hannes Haus gesehen hatte. Es war kein Badezimmer. Es war ein Badetempel. Groß und sehr minimalistisch eingerichtet. Das viereckige weiße Waschbecken mit schlichten, aber edlen Armaturen war in einen dunklen Schrank eingelassen, der frei über dem ebenso dunklen Korkboden schwebte. Der große rahmenlose Spiegel wurde von zwei üppig vergoldeten Salamandern an den Seiten gehalten, die mit großen roten Zungen an der oberen und unteren Kante des Spiegels entlang züngelten. Die Augen glimmerten grün und glitzerten in der Beleuchtung gespenstisch. Das Licht war gedämpft, indirekt über Lichtkanäle an den Decken. Männerlicht, dachte Alexandra. Die Lichtverhältnisse sahen hübsch aus, aber waren zum Schminken völlig ungeeignet. Sie seufzte und drehte sich um.
Die bodengleiche Dusche stand in der Ecke, die Badewanne schräg gegenüber. Riesig, vor einer tiefen Fensterfront, die einen Ausblick über den Hof bot. Alexandra sah hinaus. Der Hof glitzerte feucht im Licht und das immer noch aktive Gewitter ließ kräftige Blitze über den alten Stall feuern. Sie zog rasch die Jalousien zu.
Die Toilette war ebenso unprätentiös wie das Waschbecken und versteckte sich hinter einer gemauerten Wand neben dem Waschbecken. Nicht einsehbar durch das Fenster, wie Alexandra zufrieden bemerkte. Die Wandschränke, die sich an der dem Waschbecken gegenüberliegenden Wand befanden, waren aus dem gleichen dunklen Holz wie die Einfassung des Waschbeckens. Unaufgeregt schlicht. Ein paar Hygieneartikel standen herum und sie nahm sich ein Stück Seife, das neutral aussah. Das Handtuch legte sie auf die Ablage neben der Dusche und betrat die Kabine. Das Duschpanel überforderte sie. Große und kleine Öffnungen, Schalter und Knöpfe. Sie wusste nicht, wie sie die Dusche anstellen sollte, und musste lange probieren, bis sie die richtige Einstellung fand. Das Wasser lief heiß und wohltuend über ihre durchgefrorenen Glieder. Versehentlich hatte sie einen Massagestrahl eingeschaltet, den sie aber nach der ersten Schrecksekunde genoss. Alexandra verlor das Gefühl für Raum und Zeit und erst, als sie das laute Klopfen an der Badezimmertür hörte, erinnerte sie sich, wo sie war. Und fragte sich, warum sie hier war. Warum sie zugestimmt hatte, ihn zu
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