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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Seegras bedeckt, umschwammen sie wachsam. Einer von ihnen, er war noch größer als die anderen, näherte sich Loki. »Wer bist du und was ssssuchst du hier?« zischte er ihn an und entblößte ein weißes Haigebiß. »Das Bier wird
    gerade gebraut. Es wird zur rechten Zeit fertig sein, aber noch isssst es nicht soweit. Warum sssonst würde einer von den Göttern zur Halle von Ägirs und Ran kommen?«
    »Ich will Ran sprechen«, erwiderte Loki. »Geh und sag deiner Herrin, daß Loki, der Bruder Wotans, im Auftrag seines Bruders gekommen ist und ihre Halle mit seiner Anwesenheit beehrt.«
    Loki sah keinen Ausdruck in den großen runden Augen des Wassergeistes, aber er spürte die Angst und den Haß hinter den trüben Augenhöhlen.
    »Ich gehe, obwohl du ein übler Gassst bissst«, zischelte er und schwamm mit einem leichten Schlag seiner Fußflossen in die Halle. Loki wartete, während die anderen die Halle umkreisten und ihn mit leeren schwarzen Augen beobachteten.
    Es dauerte eine Weile, bis sich Ägirs Halle wieder öffnete und Licht in das dunkle Wasser drang. Der Meeresgeist schwamm durch das Tor - in der rotgolden leuchtenden Öffnung war er ein schwarzer Schatten.
    »Geh«, forderte er Loki auf und deutete mit der Krallenhand, die dunkle Schwimmhäute hatte, auf das offene Tor. Loki glitt hinein, und das große Tor schloß sich geräuschlos hinter ihm. Ägirs Halle war für Riesen gebaut. Fackeln aus Gold spendeten Licht - das edle Metall verströmte seinen hellen Glanz. Und überall leuchteten die Flammen von aufgehäuftem Gold, das überall im Raum lag. Es waren die
    Schätze der Ertrunkenen, die Ran in ihrem großen Netz gefangen hatte. Auf der Estrade am Ende der Halle standen zwei aus Walknochen geschnitzte Throne für Riesen, um die sich Figuren von Meeresungeheuern und anderen seltsamen Wesen schlangen und wanden. Zahllose Bänke füllten den Raum. Es waren Bänke für die Seelen der Sterblichen. In dem riesigen Saal wirkten sie so klein wie Kinderspielzeug. Tausende und abertausende Geistmenschen, die Seelen der Ertrunkenen, saßen essend und trinkend in Rans Halle. Aber die meisten Bänke waren noch leer und warteten auf jene, die von ihr geholt würden -in die Tiefe gezerrt von ihren Töchtern und gefangen im tückischen Netz als Beute der unersättlichen Meerkönigin. Loki wußte sehr wohl, er konnte sich die Mühe sparen, Ran auch nur um einen Kupferpfennig zu bitten, denn die Meerkönigin wachte eifersüchtig über ihre Schätze. Aber er hoffte, sie werde ihm das leihen, was sich für seine Aufgabe als nützlich erweisen würde. Ran saß allein auf ihrem Thron. Die grauen Haare umflossen ihre bleichen Schultern. Blaßgrüne Augen musterten Loki wachsam, als er sich auf den langen Weg vom Tor der Halle zu ihrem Thron machte. Der riesige hagere Leib der Meerkönigin war beinahe nackt. Nur eine Ranke dichten Seetangs wand sich um die knochigen Hüften und die hervorstehenden Rippen. Auf dem Kopf trug sie das silberne Gebiß eines Riesenhais. Das silberne Netz, mit dem sie die Seelen der Ertrunkenen einfing und in ihre Halle schleppte, hing schlaff in ihrer Hand. Die kalten Augen waren so ausdruckslos wie die der Meeresgeister, die ihr dienten. Lokis Blick gelang es nicht, das versteinerte Schweigen zu durchdringen und zu erkennen, welche Gedanken ihr erstarrtes Herz ausbrüten mochte. Erweise ihr zuerst die gebührende Ehre, das wird sie milde stimmen, dachte er. Das ist ein seltener Gunstbeweis, denn wie oft ist Loki so höflich? Das geschnitzte weiße Fischbein ragte hoch vor ihm auf. Er krümmte seinen Robbenkörper, und es wirkte fast wie eine Verbeugung.
    »So«, sagte Ran - ihre Stimme hallte hohl durch die Halle, »was führt den kleinen Dieb wieder einmal hierher? Man hat mir gesagt, daß du mich sprechen möchtest. Sprich, kluger Loki, und sprich gut, oder Wotan wird erfahren, daß meine Töchter ein neues Spielzeug gefangen und in einen silbernen Käfig gesperrt haben.«
    »Anmutige und huldvolle Frowe...«, begann Loki, aber Rans freudloses Lachen unterbrach ihn sofort.
    »Spar dir die Schmeicheleien für die armen Sterblichen und die Götter, denen an einem guten Ruf mehr liegt als mir. Ich bin Ran, die Beutegierige, die niemandem etwas gibt. Nur wer mir mit seinem Tod Schätze bringt, wird gut in meiner Halle bewirtet. Laß dir etwas Besseres einfallen, du Fuchs im Robbenpelz.«
    Loki sah sie mit seinem betörendsten Lächeln an, denn er hoffte, einen Funken Verlangen in ihr zu wecken.

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