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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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und zog in den kalten Schlamm der Halle einen flackernden Funkenkreis. Schleimige Wesen flohen vor seiner schmerzhaften feurigen Berührung.
    »Höre mich, Tius!« rief er, »Schwurgott, Einhändiger! Ich, Loki, rufe dich als Zeugen meines Schwurs.«
    Von oben fiel das klare Licht eines Sterns durch das dunkle Meer und die Schatten der hohen Decke in die Halle. Es leuchtete dort, wohin kein irdisches Sternenlicht dringen konnte. Ran nickte zufrieden. »Höre mich, Thor!« rief Loki, »Donnergott, der Erde stärkster Sohn, Miölnirs Herr und Meister, ich rufe dich als Zeugen meines Schwurs. Wenn ich ihn breche, möge dein Hammer mich erschlagen.« Ein ferner Donnerschlag ließ die Halle erzittern, als Thor den Ruf erhörte. Ran beugte sich vor und blickte Loki in die Augen. »Lege deinen Eid ab, Loki - oder besser, schwöre, wie ich dir sage: ›Ich, Loki.. .‹«
    »›Ich, Loki.. .‹«, wiederholte Loki.
    »... schwöre, Rans Netz unbeschädigt und unverändert zurückzugeben, noch ehe der Morgen zum zweiten Mal über der Nordsee graut. Als Bezahlung bringe ich Ran, noch ehe in Midgard zwei Julzeiten vergangen sind, neun große Schiffe voll von Menschen und reichen Schätzen, die ohne Lokis Wirken sicher ihr Ziel erreichen würden. Möge Tius' richtender Speer mich treffen, möge Thors Hammer mich zerschmettern, wenn ich diesen Schwur nicht halte. So soll es sein.«
    Loki wiederholte mit verdrießlicher Miene den Schwur Wort für Wort, wie Ran ihn vorsprach. Ein Strahl Sternenlicht fiel flüchtig auf ihn, dann ertönte ein Donnnerschlag, und alles war wieder still. »Also gut«, sagte Ran, und ihre tiefe hallende Stimme klang etwas zufriedener, »du hast geschworen. Hier ist mein Netz. Gib gut darauf acht.«
    Loki machte eine ironische Verbeugung, richtete sich auf und nahm das Netz entgegen. Es wurde in seiner Hand sofort kleiner, bis es nicht größer war als ein gewöhnliches Fischernetz. Er legte es zusammen und schob es in seinen Beutel.
    »Du sollst deine Schätze bekommen, Ran. Aber paß auf, daß das viele Gold die schöne Meerhalle um deine Fischohren nicht verbrennt.«
    Ran bedeutete ihm nur mit einer knappen Geste ihrer Klauenhand, er solle gehen. Da Loki der Meerkönigin jetzt keine falsche Ehrerbietung mehr erweisen mußte, schoß er
    blitzschnell als Flamme davon, und bevor ihm das Wasser etwas anhaben konnte, hatte er Rans Reich hinter sich gelassen und flog durch die Luft. Am Ufer des Rheins nahm er wieder Menschengestalt an.
    Er zog Rans Netz aus dem Beutel und warf es spielerisch aus. Das kalte silberne Netz zischte durch die Luft wie eine Peitsche aus Eis. Loki blickte zum Himmel auf. Die Sonne hatte bereits den Zenit überschritten und senkte sich langsam nach Westen. Ihm blieben nur noch wenige Stunden, um Wotans Plan zu erfüllen - was immer der Einäugige auch im Sinn haben mochte -, und wenn es Loki nicht gelang, hatte er noch einen zusätzlichen Preis zu zahlen. »Hexe!« zischte er und spuckte in Richtung Nordsee. Sein Speichel versengte das Gras wie feuriges Gift und hinterließ einen schwarzen Fleck verbrannter Erde.
    »Werde groß«, flüsterte Loki, »so groß wie der Rhein breit ist. Kein Spalt, kein Schlupfwinkel darf dir entgehen. Fange den Zwerg, der als Fisch im Wasser schwimmt. Fange den Hecht mit dem goldenen Ring an der Flosse, denn keinen anderen Fisch möchte ich.«
    Das Netz wurde länger und länger, als werde es von einer unsichtbaren Rolle abgespult. Die silbernen Fäden glitten durch den Fluß, und Loki begleitete es als Flamme am Ufer. Wiesen, auf denen sich das erste Braun des Winters zeigte, flogen vorüber; es folgten weite Täler, dann wand sich der Fluß um felsige Hügel, die höher und immer höher anstiegen, je weiter sie nach Süden kamen, bis das Netz plötzlich zerrte und zuckte, als sei es lebendig.
    »Ha!« flüsterte Loki triumphierend und erleichtert. Der schwere Hecht sprang und zappelte so heftig in den silbernen Maschen, daß Loki sich anstrengen mußte, um nicht ins Wasser gezogen zu werden; aber nach ein paar knappen Worten legte sich das Netz so eng um den Hecht, daß er sich nicht mehr wehren konnte. Loki zog ihn an das felsige Ufer. Dort lag er, öffnete und schloß die Kiemen und starrte Loki finster an.
    Der Hecht Andravari war halb so groß wie Loki. An seiner rechten Brustflosse steckte ein funkelnder Ring. Loki betrachtete ihn nachdenklich, dann zog er so ruckartig am Netz, daß es dem Fisch in die schuppigen Seiten schnitt.
    »Andravari«,

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