Rheingrund
erhobenem Kopf, aber ohne einen der Anwesenden anzusehen, die Treppe hinunter und durchquerte das Foyer.
»Das gilt auch für Sie!«, wurde Norma von der Polizistin belehrt.
Norma ließ das Bild auf der Galerie, das kein Theaterregisseur besser hätte in Szene setzen können, noch einen Augenblick auf sich wirken und zupfte verstohlen das Kleid zurecht, bevor sie die Treppe hinunterstieg. Das Foyer lag verlassen bis auf das Personal der Sektbar, das die leeren Gläser einsammelte. Norma verließ das Theater. Lambert war nirgends zu entdecken.
Ihre Frage war offen geblieben. Und hatte Gesellschaft von neuen Fragen bekommen.
11
Freitag, der 18. April
Als Martin am Morgen erwachte, lag eine unruhige Nacht hinter ihm. Sein Leben lang war er jedem Streit aus dem Weg gegangen. Nun wurde er innerhalb weniger Stunden erst zum Angreifer, dann zum Opfer. Wobei ihm die Rolle als Angreifer durchaus gefiel. In eine neue und prickelnde Situation war er damit geraten. Mit einem Ergebnis, das sich sehen lassen konnte. Endlich wurde er Teilhaber der Agentur. Allerdings war es ein Fehler, im ersten Übermut Sandra davon zu erzählen, damit sie sofort damit herausplatzen konnte. Ausgerechnet vor der Privatdetektivin musste sie sich wichtig machen. Diese Norma Tann war eine, die die Flöhe husten hörte. So selbstsichere Frauen beunruhigten ihn, und das war ein Grund für die schlechte Nacht. Der andere war der schmerzende Hals. Immer wieder überfiel ihn die Angst zu ersticken, während Sandra neben ihm tief und fest schlief. Doch was ihm vor allem zu schaffen machte, war ein tiefes Gefühl der Scham. Diese Blamage, als Kai ihn öffentlich demütigte und einen Verräter nannte. Das Blut stieg ihm ins Gesicht, und er schlich sich mitten in der Nacht ins Wohnzimmer, um die Erinnerung an Kais zornigen Vorwurf mit Kognak zu trüben. Schließlich schlief er auf dem Sofa ein und erwachte frühmorgens von heftigen Kopfschmerzen. Wenigstens war die Enge im Hals verschwunden. Das wurde ihm klar, als er im Bad nach Tabletten suchte. Ihm war kalt. Er ging zurück ins Schlafzimmer und kroch vorsichtig unter die Bettdecke, um Sandra nicht aufzuwecken. Die Wärme machte ihn schläfrig.
Um 7.30 Uhr erwachte er erneut. Damit wurden auch die Bilder in seinem Kopf lebendig. Als erstes kam ihm Bernhard in den Sinn, wie er stöhnend auf dem Teppichboden lag. Wehrlos. Unmittelbar vor seinen Füßen. Er hätte den Buddha nur loslassen müssen. Ohne zu zielen. Einfach fallen lassen. Doch er zögerte, und Bernhard rollte sich flink zur Seite, kam auf die Knie und wuchtete sich hoch. Wie ein Seemann taumelte er voran und fing sich wieder.
Martin ließ den Buddha sinken.
Bernhard starrte ihn an. Er sah aus wie ein Zombie. Das Gesicht voller Blut. »Du bist ja nicht zurechnungsfähig. Ich zeige dich an!«
Martin krächzte ein Lachen. »Weil du besoffen gegen eine Glastür gelaufen bist?«
Bernhard hob den Arm, als wollte er zuschlagen.
Martin rührte sich nicht vom Fleck. Sein Herz raste, aber er bekam die Stimme unter Kontrolle und gab das Geheimnis preis, das er all die Jahre gehütet hatte. Er war jetzt ganz ruhig, beinahe heiter. »Wir machen einen Vertrag. Ich werde dein gleichberechtigter Partner.«
Mehr verlangte er gar nicht. Er war gerecht. Schließlich war Bernhard sein Freund, zu dem er all die Jahre gehalten hatte. Es gab keinen Grund, ihm jetzt die Treue zu versagen.
Bernhard bekam den Mund nicht mehr auf. Auch nicht, als Martin das Handy verlangte. Als hätte er vergessen, was ein eigener Wille ist, griff Bernhard in die Hosentasche.
Martin durchsuchte die Liste nach der Mobilnummer des Anwalts, ein Mitglied des Golfclubs. Für Bernhard wäre der Mann auch abends zu sprechen. »Ich will einen Vertrag. Verabrede einen Termin. Am besten gleich für morgen.«
Bernhard hüstelte und übte seine Stimme. »Freitags ist er … ist er im Gericht.«
»Dann eben für Montag! Mach deinem Anwalt klar, dass sich dein zukünftiger Partner nicht hinhalten lässt.«
Bernhard glotzte ihn für einen Augenblick kopfschüttelnd an, bevor er das Telefon entgegennahm. Dieser Augenblick des Triumphs! Das Gefühl der Macht! Ungewohnt, aber höchst befriedigend. Die Erinnerung daran vertrieb die düsteren Bilder der Nacht. Bis ihm einfiel, dass er vergessen hatte, Bernhard den USB-Stick abzunehmen, solange er am Boden lag. Halb so schlimm, beruhigte er sich. Er hatte die Daten auf dem Rechner nicht gelöscht. Es war gar nichts passiert.
Sandra lag an
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