Rheingrund
dir erzählt, dass Ruth wieder einmal nach Marika suchen lässt. Das ist Norma Tann. Meine Frau Sandra.«
Sandra nickte wohlwollend. Sie hatte sich etwas Mädchenhaftes bewahren können, und ihr Make-up betonte dies auf dezente Weise. Das fremde Paar wurde von Reber als ›Ella und Jörg‹ und mit dem Zusatz ›gute alte Freunde‹ vorgestellt. Der Mann hob den Blick, musterte Norma stumm und interessierte sich gleich darauf für die Verzierungen der Wände, während sich die anderen über die Inszenierung unterhielten. Reber führte das Wort. Er wirkte nervös und aufgekratzt, als hätte er getrunken, und prahlte mit seinem Wissen über Mozart.
Sandra Reber fiel ihrem Mann ins Wort. »Erzähle lieber, dass du jetzt endlich Partner in der Agentur geworden bist.«
Martin lächelte mit plötzlicher Verlegenheit. »Ein paar Tage wird es noch dauern. Am Montag gehe ich mit Bernhard zum Notar.«
In Sandras Lächeln lag ein unübersehbarer Triumph. »Die Agentur wäre nichts ohne Martin. Bernhard hat keinen Sinn für Ästhetik.«
Norma bemerkte die leicht sächsische Färbung in Sandras Aussprache.
»Warum gerade jetzt?«, fragte sie. »Gibt es dafür einen besonderen Anlass?«
»Martin hat viel zu lange darauf warten müssen«, gab Sandra zur Antwort.
»Darauf gebe ich einen aus!«, verkündete Reber großspurig. »Sekt für alle?«
Er blickte auffordernd in die Runde. Das Paar und Sandra nickten zustimmend.
»Und Sie?«, wandte er sich an Norma.
»Ja, gern. Ich helfe Ihnen beim Tragen.«
Sandra hielt sie zurück. »Lassen Sie nur! Martin schafft das schon. Sagen Sie, ist Ihr Leben so spannend wie das der Detektive im Fernsehen?«
Norma murmelte eine Antwort und blickte Reber nach, den sie gern unter vier Augen befragt hätte. Doch die Gelegenheit war sowieso nicht günstig. Martin wurde aufgehalten. Auch Sandra bemerkte den Mann, der im Gegensatz zu den festlich gekleideten Besuchern Jeans und ein schlichtes Hemd trug.
In der Überraschung verschaffte sich das Sächsische freie Bahn: »Das ist Kai! Ein alter Freund aus Dresden. Was hat er vor? Martin!«
Lambert hatte Reber am Kragen gepackt und drückte ihn rücklings gegen die Brüstung.
»Martin!«, brüllte Sandra, ohne sich von der Stelle zu rühren.
Norma eilte zur Treppe. Auf der Galerie und der unteren Ebene entstand Unruhe. Eine Frau schrie auf. Das Stimmengewirr verstummte abrupt. Die Menschen blickten nach oben und brachten sich in Sicherheit. Reber rang kreidebleich nach Luft und ruderte hilflos mit den Armen, ohne sich gegen Lambert zu wehren, der ihn mit einer Hand an der Kehle und mit der anderen an der Schulter gepackt hielt und gefährlich weit über das Geländer drückte.
Norma blieb stehen und gab zwei Männern, die die Stufen heraufstürmten, ein Zeichen, sich zurückzuhalten. Sie redete beschwichtigend auf Lambert ein. Reber zappelte mit den Armen und keuchte.
»Der Kerl ist irre!« Plötzlich stand Sandra hinter ihr und schrie ihr ins Ohr. »Lass ihn los, Kai!«
Lambert schaute zur Seite, ohne sein Opfer freizugeben. Sein Gesicht war vor Anstrengung gerötet. »Dein Mann ist ein Spitzel, Sandra! Ein mieser Verräter!«
Von unten klangen Befehle herauf. Zwei Polizeibeamte eilten herbei. Ein Mann und eine Frau.
»Lassen Sie den Mann los! Sofort!«, befahl die Polizistin mit schneidender Stimme.
Lambert wechselte einen Blick mit Norma, als wäre sie seine Komplizin. In aller Ruhe zog er Reber vom Geländer fort und stieß ihn von sich weg. Reber sackte zusammen. Sandra stürzte zu ihm. Lambert blieb stehen und wischte sich die Hände am Hemd ab.
»Was geht hier vor?«, fragte der Beamte.
Reber fasste sich an den Hals und hustete. »Nichts von Bedeutung. Nur ein Streit unter Freunden.«
Sandra half ihm auf. Sie wirkte verwirrt und weinte. Die Tränen lösten die Wimperntusche auf. Reber stützte sich schwer auf die Schultern seiner Frau.
Der Polizist musterte das Paar mit beruflicher Neutralität. »Wollen Sie Anzeige erstatten?«
Reber verneinte. »Nicht doch. Wir regeln das untereinander.«
Lambert lehnte am Geländer, als ginge ihn das alles nichts an. Die Menschen in der Halle fanden ihre Stimmen wieder. Der Gong übertönte den Lärm, doch die Leute zogen sich nur zögerlich zurück. Als befürchteten sie, im Foyer mehr zu verpassen als auf der Bühne.
»Gehen Sie in die Vorstellung!«, rief die Polizistin. »Hier gibt es nichts mehr zu sehen.« Sie wandte sich Lambert zu. »Verlassen Sie diesen Raum!«
Er stieg mit
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