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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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seiner Seite, hatte die Arme um den Kopf gewunden und schlief ohne eine Regung. Er beugte sich herüber und beobachtete einen Moment ihre leichten Atemzüge, bevor er aus dem Bett stieg.
    Kurz vor 8.30 Uhr war er auf dem Weg ins Büro. Auf dem Rücksitz lag ein zusammengerollter Läufer, ein Reisemitbringsel von Ella und Jörg, das ins Kellerregal verbannt worden war. Martin trug Sportkleidung. Das Rad klemmte im Gepäckträger am Wagenheck. Er brauchte zur Agentur zehn Minuten. Vor fünf Jahren hatte er die Wohnung in der Kapellenstraße gekauft. Das Gebäude stammte aus den 60er-Jahren, war aber mit allem Drum und Dran modernisiert und an vier Parteien verkauft worden; dazu gehörten ein Arztehepaar und ein Beamter des Bundeskriminalamts, der allein lebte und nie besucht wurde. Die dritte Wohnung war an ein Paar mit Pudel vermietet. Das Haus lag sehr ruhig, trotz der Nähe zur Innenstadt. Sandra hatte auf eine zentrale Lage beharrt. Abgesehen von dem verteufelt hohen Preis, bereute Martin den Kauf nicht. Doch der Schuldenberg drückte. Auf der Fahrt durch die Taunusstraße beschloss er, sich als Teilhaber ein höheres Gehalt zu gönnen. Um die Mittel der Agentur nicht zu strapazieren, könnte Bernhard ein wenig zurückstecken. Martin hatte wenig Lust auf eine Begegnung mit seinem zukünftigen Partner, der diesen Vormittag hoffentlich, wie jeden Freitag bei trockenem Wetter, auf dem Golfplatz verbringen würde. Zumindest fehlte der Jeep auf dem Parkplatz. Martin stieg aus und nahm den Teppich heraus. Die Sonne fand ihren Weg durch den nebligen Dunst und versprach einen wunderbaren Frühlingstag. Er freute sich auf die Radtour, die seine Müdigkeit vertreiben sollte. In Gedanken ging er die geplante Strecke durch. Er wollte von der Agentur aus über Dotzheim nach Frauenstein radeln und von dort an den Markierungen des Rheinsteigs folgen.
    Inga stand mit einem Papierstapel auf dem Arm am Kopierer. Sie trug einen kurzen Jeansrock, dazu Ringelstrümpfe, und wippte auf den Zehenspitzen. Ein Kabel führte vom Ohr zum Gürtel. Als sie Martin bemerkte, zog sie die Kopfhörer heraus und winkte ihm zu.
    Er sei eigentlich gar nicht da, rief Martin im Vorbeigehen und eilte in sein Büro. Alles befand sich wieder an seinem Platz. Er hatte noch am Abend aufgeräumt.
    Kaum hatte er den Läufer ausgebreitet, stand sie schon hinter ihm. Sie verzog den Mund, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. »Was ist mit Bernhard los? Der hat eine Laune zum Auswandern.«
    Martin ging nicht darauf ein. »Fährt er heute nicht zum Golfplatz?«
    »Doch! Er ist schon los, war nur für einen Moment im Büro.«
    »Was wollte er denn?«
    Inga hob ratlos die Schultern. Sie hatte die Unterlagen aus dem Archiv geholt, die sie kopieren sollte. Als sie aus dem Keller herauskam, war Bernhard bereits gegangen. »Und was treibt dich her? Warum bist du nicht mit dem Rad unterwegs?«
    »Später. Ich muss kurz an den PC. Du bist heute früh dran.«
    Sie biss sich auf die Lippen. »Ich habe einiges aufzuarbeiten.«
    Er schaltete den Computer ein und schaute, während der Rechner hochfuhr, auf den Teppich, der den Fleck knapp verdeckte. Er hatte das Büro nicht abschließen können, er besaß keinen Schlüssel für die Tür. Niemand schloss sein Zimmer ab, nicht einmal Bernhard.
    »Hast du Bernhard von dem Testergebnis erzählt?«
    Sie legte den Papierstapel auf der Fensterbank ab. »Ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll. Außerdem …«
    »Außerdem?«
    Sie sah Martin aufmerksam ins Gesicht, was sie selten tat. Meistens scheute sie vor dem Blickkontakt zurück. »Na ja, ich weiß jetzt etwas, von dem er nicht weiß, dass ich es weiß. Verstehst du? Das gibt einem so ein Gefühl von …«
    »Von Überlegenheit?«
    »Genau!«
    Sie lächelte, und für einen Augenblick meinte er, ihrer Mutter gegenüberzustehen. Marika im Gartenhaus. Wie sie am Fenster lehnte in ihrem gelben Kleid. Die dunklen Haare, die wie ein lebendiger Organismus über den glänzenden Stoff glitten. Ihr siegessicheres Lächeln. Das Bild ging ihm seit gestern nicht mehr aus dem Kopf.
    »Ich mag das Gefühl. Das will ich gern für eine Weile auskosten. Kannst du dir das vorstellen?«
    Nachlässig rückte sie einen Stapel Unterlagen beiseite und hockte sich auf den Schreibtisch, sodass der Rock auf die Oberschenkel hinaufrutschte und die Knie freilegte.
    Sie ließ die geringelten Beine vor- und zurückpendeln und fragte: »Was ist mit Bernhards Kopf passiert? Wieso hat er ein Pflaster auf der

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