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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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Sätzen zusammen. »Er streitet ab, dein Vater zu sein.«
    Es dauerte einen Moment, bis Inga antwortete. »Behaupten kann er viel! Was ist mit einem Vaterschaftstest?«
    »Er will darüber nachdenken.«
    »Wenn er sich angeblich so sicher ist, warum zögert er überhaupt?«
    »Inga, ich verstehe deine Enttäuschung. Versetze dich in Lamberts Situation. Bis gestern wusste er nicht einmal, dass deine Mutter vermisst wird. Lass ihm Zeit.« Sie schlug vor, sich am nächsten Morgen zu treffen und in Ruhe über alles zu reden. »Ich komme gern zu euch raus. Ich möchte sowieso mit Ruth sprechen. Sie weiß noch gar nichts von Lambert.«
    »Ich erzähle ihr nichts von ihm. Das überlasse ich dir«, antwortete Inga mit kleinmütiger Stimme.
    Norma fragte nach Martin Reber. »Ich möchte ihn etwas fragen. Ist er heute Nachmittag in der Agentur?«
    »Bestimmt nicht. Er wollte eine Radtour machen.«
    »Weißt du vielleicht, ob er heute Abend zu Hause ist?«
    Ein kurzes Nachdenken. »Nee, Martin muss in die Oper.«
    Norma lächelte. »Er muss ?«
    Inga schniefte. »Du kennst seine Frau nicht.«
    Kurz darauf war Norma auf dem Weg in die Innenstadt. Sie fand in der Sonnenberger Straße einen legalen Parkplatz und freute sich über ihr Glück. Den Schirm konnte sie unbesorgt im Wagen lassen. Das Wetter hatte sich wieder gefangen. In der Mittagssonne spazierte sie durch den Kurpark. Das lautstarke Schwatzen der Halsbandsittiche hoch oben in den Buchen begleitete sie auf dem Weg zum Kurhaus, und ein Paar der langschwänzigen Vögel flatterte aufgeregt kreischend über die Fontäne im Teich, ohne damit die geringste Aufmerksamkeit der Enten und Gänse am Ufer und im Wasser zu wecken. Auf mehrere Hundert Tiere hatte sich die Population der großen grasgrünen Papageienvögel, die Nachkommen gewitzter Ausreißer, im Lauf der Jahrzehnte entwickelt. Man fand die Sittiche in allen Wiesbadener Grünanlagen und entlang des Rheins. Sogar auf die andere Rheinseite, bis in den Mainzer Volkspark, hatten es die pfiffigen Exoten geschafft, war Norma zu Ohren gekommen, die jeglichem Abenteuergeist Respekt zollte.
    Der Kies knirschte unter ihren Sohlen, als sie sich der rückwärtigen Fassade des Kurhauses näherte. Norma durchquerte die Wandelhalle und betrachtete dabei das geometrische Formenspiel des Marmorbodens. Durch den Haupteingang gelangte sie wieder hinaus ins Freie. ›Bowling Green‹ nannten die Wiesbadener den Rasenplatz vor dem Kurhaus; ein Name, der sie stets ein wenig amüsierte. Der Platz war geometrisch angelegt. Die Stirnseite führte auf das Kurhaus zu. Eine lange Seite wurde von den Kolonnaden mit der Spielbank begrenzt, die andere von einem Säulengang vor dem Staatstheater flankiert. Gestutzte Platanenalleen begleiteten die Seitenlinien. Norma stieg die Stufen zum Theater hinauf. Eine melancholische Melodie wehte ihr entgegen. An eine Säule gelehnt, spielte ein junger Mann auf der Geige und schaute entrückt auf einen der Kaskadenbrunnen, mit denen sich die beiden Wasserbecken auf der Mittelachse des Platzes schmückten. Im Vorbeigehen las sie das Pappschild mit der Aufschrift ›Russischer Künstler braucht deine Hilfe‹ und ließ etwas Kleingeld in den Geigenkasten fallen. Der Musiker strich weiterhin gedankenverloren über die Saiten.
    Vor der Theaterkasse hatte sich eine Schlange gebildet. Norma reihte sich zweifelnd ein, und tatsächlich hieß es: ›ausverkauft‹, als sie endlich an der Reihe war.
    Die Frau hinter der Glasscheibe sah sie kopfschüttelnd an, als hätte Norma ebenso gut nach einem Engagement als Operndiva fragen können. »Sie wollen heute Abend in die ›Zauberflöte‹? In die Premierenvorstellung?«
    »Und da ist gar nichts zu machen?«
    Man merkte der Kartenverkäuferin an, wie gern sie helfen wollte. »Sie könnten es kurz vor der Vorstellung wieder versuchen. Manchmal werden Karten nicht abgeholt. Aber versprechen kann ich nichts!«
    »Danke für den Tipp!«
    Als Norma sich zum Gehen wandte, trat eine Frau aus der Reihe heraus. »Warten Sie! Ich wollte eine Karte zurückgeben. Meine Tochter hat die Grippe. ›Die Zauberflöte‹. Heute Abend. Erster Rang links. Wollen Sie?«
    »Sehr gern!«
    Norma gab der Frau das Geld und wünschte gute Besserung für die Tochter.
    Am Abend wollte es mit dem Parkplatz nicht so leicht klappen. Alle kostenlosen Möglichkeiten waren besetzt. Schließlich fuhr Norma in die Tiefgarage unter dem ›Bowling Green‹ und zupfte nach dem Aussteigen das dunkelblaue

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