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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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tschüss, Norma!«
    Er folgte Milano und stieg in den Wagen.
    Norma marschierte in der entgegengesetzten Richtung davon und hielt das Gesicht in den Wind.

20
    Am Abend war sie spät dran. Sie hatte mehrmals ohne Erfolg versucht, Lambert im Hotel oder auf dem Handy anzurufen, und die übrige Zeit vor dem Kleiderschrank vertrödelt, um letztendlich in den vertrauten Jeans aus dem Haus zu gehen. Dazu trug sie einen schwarzen Leinenblazer, der aus Arthurs Zeiten stammte, und hatte das Haar mit mehr Sorgfalt als üblich gefönt. Als Zugeständnis an den eleganten Rahmen betrachtete sie die hochhackigen Stiefeletten, auf denen sie nun durch das Foyer des Kurhauses klapperte und die in weißes Tuch geschlagenen Stehtische ansteuerte. Dort hatte sich eine größere Zahl Besucher versammelt. Am Sekt nippend, stand man beieinander, und das lebhafte Gemurmel verlor sich in der weitläufigen Halle. Wer keinen Gesprächspartner ergattern konnte, bestaunte mit mehr oder weniger glaubwürdigem Interesse die antiken Statuen auf ihren Podesten oder richtete den Blick nach oben in die beeindruckende Architektur der Kuppel, die sich über die Mitte des Foyers wölbte. Von ausgestellten Bildern keine Spur. Bevor Norma befürchten musste, auf der falschen Veranstaltung zu sein, entdeckte sie Lutz. In einen dunklen Anzug gekleidet, hielt er sich an Undines Seite, die einen blauen Hosenanzug trug. Jedes Detail an ihr wirkte makellos wie stets. Die leichten Schuhe und der Gürtel besaßen die Farbe reifer Auberginen und trafen exakt die Nuance der Kurzhaarfrisur, an der kein Strähnchen aus der Reihe wich. Undine überließ nichts dem Zufall.
    Lutz winkte Norma zu, schnappte sich ein zweites Sektglas und eilte ihr entgegen. »Schön, dass du da bist! Gut siehst du aus, Norma.« Er reichte ihr das Glas.
    Norma lächelte. »Du aber auch! Wo sind die Bilder? Nasse Füße bekommen?«
    »Herrje, beschwöre keine Katastrophe herauf! Zum Glück ist den Gemälden nichts geschehen. Sie werden dort drüben gezeigt.« Er deutete mit einem Nicken auf eine schwere doppelflügelige Holztür.
    Norma nickte anerkennend. »Im Christian-Zais-Saal! Undine lässt sich den Abend etwas kosten.«
    Er blickte zur Galeristin hinüber, die von einer Schar Neuankömmlinge umringt wurde. »Sie fühlt sich ihren Kunden und den Künstlern verpflichtet. Deshalb hat sie alles drangesetzt, die Ausstellung wenigstens für ein Wochenende zu ermöglichen. Die Schäden in der Galerie ließen sich so schnell nicht beheben.«
    Norma folgte seinem Blick und beobachtete die hoheitsvoll lächelnde Undine, deren Worten die Gäste andächtig lauschten. »Wie heißt die Ausstellung? Das Foto im Film?«
    Lutz lachte leise. »Eine unangemessene Verkürzung. Lass das bloß nicht Undine hören. ›Fotorealismus und Film‹, um präzise zu sein. Übrigens dürfen wir mit einem gemeinsamen Bekannten rechnen.«
    Norma nickte. »Bernhard Inken, ich ahnte es. Wenn man vom Teufel spricht. Sieh mal!«
    Inken durchquerte das Foyer mit wiegenden Schritten, als wäre er im Freien, vielleicht auf dem Rheinsteig, unterwegs, und zog die Blicke der Anwesenden auf sich. Im braunen Tweedsakko, hellbraunen Kordhosen und einem jagdgrünen Rollkragenpullover trat er auf wie ein Landedelmann. Eine Flinte über der Schulter und ein Pointer an der Leine hätten den Eindruck komplett gemacht. Wie Undine gehörte er zu den Sonnen, die sich, wo auch immer sie aufgingen, einer Schar Planeten gewiss sein durften. Die Ersten setzten sich in Bewegung und begaben sich auf ihre Umlaufbahn.
    »Was hältst du von ihm?«, fragte Norma leise.
    Inken gälte als kompetent und fachkundig auf seinem Gebiet, erzählte Lutz mit gesenkter Stimme. »Früher war er für mich nur ein abgebrühter Geschäftsmann. Ich mochte ihn nicht. Seit wir am Rheinsteigbuch arbeiten, habe ich ihn besser kennengelernt. Ich glaube, er ist ein einsamer Mann, der seiner Frau noch immer nachtrauert. Immerhin lebt er seit ihrem Verschwinden allein.«
    »Hast du Marika gekannt?«
    Lutz wartete, bis sich ein umherspazierendes Paar entfernt hatte. »Ich bin ihr ein paar Mal begegnet, und sie hat mich durchaus beeindruckt. Damals kam es mir vor, als besäße sie ein Geheimnis. Vielleicht lag es an ihrer Sprunghaftigkeit. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, so könnte man sie beschreiben.«
    »Das hat schon jemand über Marika gesagt«, erinnerte sich Norma.
    »Sie war hübsch«, ergänzte Lutz seinen Eindruck.
    Norma entdeckte Lambert, der am Eingang

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