Rheingrund
herabgelassen, die Nacht mit ihr zu verbringen, und sich am Fußende zusammengerollt. Er sprang mit dem Telefonsignal auf und stimmte mit hellem Miauen ein.
»Halt die Klappe!«, zischte Norma, als sie das Gespräch entgegennahm.
»Ich hatte noch kein Wort gesagt, liebe Norma.«
Milano. Gemessen an der frühen Morgenstunde, klang er bemerkenswert gut gelaunt.
»Das war für Leopold bestimmt!«
»So barsch gehst du mit deinem Freund um?«
»Der lässt sich sowieso nichts sagen«, antwortete sie mit einem Lachen.
Die Kriminaltechniker müssten am Montag zu einer abschließenden Untersuchung in den Rheingau, verkündete Milano. »Ich konnte den Kollegen Eppmeier dazu überreden, sich bei der Gelegenheit in der Gartenlaube umzusehen.«
Dem Kollegen Eppmeier eilte der Ruf voraus, die Stecknadel im Heuhaufen zu finden und eine schier aussichtslose Suchaktion als das schönste Geschenk zu betrachten. Dass Milano ausgerechnet ihn um Hilfe gebeten und ihrem Wunsch überhaupt so schnell nachgekommen war, hatte sie nicht zu hoffen gewagt.
»Also hat Lambert meinen Verdacht bestätigt?«
»Marika nutzte das Gartenhaus als Liebeslaube, so viel haben wir aus ihm herausbekommen. Vergiss nicht, die Untersuchung bleibt vorerst inoffiziell. Es ist dein Part, Norma, das mit Ruth Diephoff zu regeln. Sie muss zustimmen, ohne die Aktion an die große Glocke zu hängen.«
»Was sollte sie dagegen haben?« Norma verzichtete auf die Erwähnung, dass der Fall nicht mehr der ihre war. »Danke, Luigi.«
»Da ist noch was!«, knurrte er, als müsste er mit der Freundlichkeit haushalten und sich noch eine Handvoll für den Tag aufheben. »Der DNA-Vergleich liegt vor.«
Sofort begann ihr Herz zu klopfen, obwohl sie überzeugt war, das Ergebnis zu kennen. »Lässt sich eine Übereinstimmung nachweisen?«
»Zweifelsfrei. Martin Reber ist der biologische Vater von Inga Inken. Die Kleine hat bislang wenig von ihrem Erzeuger gehabt, und jetzt ist er tot. Redest du mit dem Mädchen?«
»Ich kümmere mich um Inga«, versprach Norma. »Und Ruths Einwilligung für die Durchsuchung besorge ich dir.«
Der April näherte sich so launisch seinem Ende, wie er in die ersten Tage gestartet war. Nadelspitze Regentropfen bliesen ihr entgegen, als sie das Haus verließ und, mit der Yogamatte unter dem Arm, durch den Hof zum Auto ging. Unterwegs nahm der Schauer zu. Die Scheibenwischer kämpften gegen die Wasserflut an, und sie musste das Tempo drosseln, als sie auf der Autobahn in Richtung Rüdesheim fuhr. In der Ausfahrt setzte der Regen schlagartig aus, und bis Martinsthal verschaffte sich die Sonne freie Bahn. Vor dem Weingut glitzerten die Pfützen, und die Blätter schwankten unter der Last der Wassertropfen.
Ruth nahm Normas Ausstattung verdrossen zur Kenntnis. »Wo sind der Bericht und die Unterlagen? Ich kann mich nicht erinnern, dass wir eine Stunde vereinbart hätten.«
Norma lächelte entschuldigend. »Den Bericht liefere ich nach. Es bleibt noch eine Lücke zu schließen. Ich komme auf gut Glück zur Yogastunde. Sie leiten um diese Zeit eine Gruppe, nicht wahr? Keinesfalls möchte ich mich aufdrängen. «
»Meinetwegen kommen Sie mit. Wir fangen gerade an.«
Ruth führte Norma in einen Saal im Erdgeschoss, in dem die Teilnehmerinnen ihre Matten im Kreis ausgelegt hatten. Eine ältere Frau begrüßte Norma freundlich und rückte zuvorkommend beiseite. Die geübte Gruppe war mit den wortkargen Anweisungen der Trainerin vertraut und folgte diesen in stillem Eifer. Obwohl Norma die meisten Asanas aus den Selbstversuchen kannte, so fühlte sie sich armselig mit ihren ungeschickten Nachahmungen und zeitlichen Verzögerungen, und stellte dankbar fest, wie sehr die anderen mit den eigenen Ausführungen beschäftigt schienen. Ruth schenkte der neuen Schülerin wenig Beachtung. Die Meditationsübung zum Schluss gab Norma die Gelegenheit, die Yogalehrerin verstohlen zu mustern und sich zu fragen, ob Ruth allein der schlichte schwarze Dress und die strenge Miene diese so abweisend kühle Ausstrahlung verliehen. Sie wirkte in den vergangenen Tagen gealtert, als hätte sie ihre sprühende Energie eingebüßt, und wie von einer verborgenen Kraft an den Boden gefesselt, tat sie sich mit dem Aufstehen schwer und musste sich von zwei Schülerinnen aufhelfen lassen.
»Ruth hat einen Freund verloren«, raunte die Frau an Normas Seite. »Ihre Trauer ist tief. Wir alle sind sehr in Sorge um sie.«
Jede Einzelne verabschiedete sich mit einer Umarmung von
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