Rheinsteigmord - Kriminalroman
Kinder entstanden. Wenn die Leute wirklich Geld hatten, kam es zu aufsehenerregenden Vaterschaftsnachweisen, begleitet von den Medien. Es kam zu Prozessen.
Aber wenn sich jemand juristisch gegen so etwas geschützt hatte, wie man sich nur schützen konnte, dann die Dynastie der Reichsten im 20. Jahrhundert. Kein uneheliches Kind würde gegen sie eine Chance haben. Oder doch? Das war ja keine Auslegungssache. Wenn jemand verwandt war, hatte er Anspruch. Fred spürte, wie eine Gänsehaut seinen Rücken hochkroch.
Er verlor sich im Herumklicken in Informationen über die Nachkommen des Ölmagnaten. Sein Sohn, John D. Rockefeller junior, eines von fünf Kindern, lebte von 1874 bis 1960 und hatte selbst sechs Sprösslinge, von denen einer noch am Leben war: der Bankier und Politiker David Rockefeller. 1915 geboren, musste er – wenn die Angaben stimmten – heute das gleiche biblische Alter erreicht haben wie sein Großvater.
Fred ging zurück auf die Seite über die Ortsgeschichte von Rockenfeld und erfuhr, dass die Siedlung im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt wurde. Seit den 1930er Jahren waren immer mehr Menschen weggezogen – bis man in den Sechzigern entschieden hatte, die Siedlung aufzugeben: Aufgrund von stetiger Abwanderung beschloss der Gemeinderat im Jahre 1965 die Auflösung der Gemeinde, 1969 wurden die verlassenen Häuser und Höfe durch die Feuerwehr abgebrannt. 1995 wurde das letzte Haus abgerissen.
Die Feuerwehr. Das Video. Die Flammen.
Der Film, den Fred gesehen hatte, zeigte die kontrollierte Zerstörung des Ortes.
Auf Google Maps ließ sich Fred die Lage des Ortes anzeigen. Man fuhr von Rheinbrohl aus die Kreisstraße 1 in Richtung Neuwied und bog irgendwo links ab. Er starrte auf die Karte. Das gelbe Band der Kreisstraße brach mitten in der weiten grünen Fläche ab. Der Name Rockenfeld schwebte zwischen geschwungenen feinen Linien, die wohl Waldwege darstellten, und blauen, geschlängelten Verästelungen. Bäche.
Wie mochte es an einem solchen Ort aussehen, wo einmal ein Dorf gestanden hatte?
Ob es dort noch etwas zu entdecken gab?
Fred las weiter. Heute wurde dort, wo einst das Dorf Rockenfeld lag, eine Kirmes gefeiert, um die Erinnerung an den Ort wach zu halten. Ausgerichtet vom Rheinbrohler Junggesellenverein. Es war keine richtige Kirmes mit Karussells, sondern mehr so eine Art Waldfest mit Lagerfeuer, Erbsensuppe, Grill und Getränken. Früher hatte es sogar eine ganz besondere Attraktion gegeben: ein Seifenkistenrennen. Als dabei jemand verletzt wurde, hatte man diesen Programmpunkt jedoch wieder abgeschafft.
Er lehnte sich zurück und ordnete seine Erkenntnisse.
Daniela Hecht war Themen mit regionalem Charakter auf der Spur. Themen wie die Geschichte von Rockenfeld. Oder auch Themen wie das Ehrenmal in Rheinbrohl.
Themen wie …
Wie hieß noch der dritte Ordner?
CERACK .
Fred gab die Buchstaben in die Suchmaschine ein.
Die Ergebnisse hatten nichts mit den anderen Themen zu tun.
Die CERACK GmbH war eine Firma in Ransbach-Baumbach. Fotos auf der Website zeigten ein weißes Gebäude auf dem Gelände eines Industriegebiets. Dahinter endloser stahlblauer Himmel. Fred folgte einem Link und blickte in eine Werkhalle mit komplizierten Maschinen und Fließbändern darin.
Den Texten war zu entnehmen, dass die CERACK Industriekeramik herstellte – unter anderem für die Automobilindustrie. Keramik in Bremsscheiben. In Zündkerzen. Das Geschäft wurde mit Rezepturen und Patenten gemacht.
Vermutlich hatte Daniela Hecht geplant, über diese Firma einen Artikel zu schreiben. Die Frage war, ob es einen Zusammenhang mit Rockenfeld und Rheinbrohl gab.
Fred notierte sich die Adresse, ging noch einmal die Informationen über Rockenfeld durch und schrieb auf, wie man von Rheinbrohl aus dorthin kam.
Dann verließ er das Internetcafé, überquerte den Plan und genehmigte sich in der Pizzeria »La Mamma« eine Pizza Quattro Stagioni. Es war erst kurz vor halb zwölf und eigentlich ein wenig früh fürs Mittagessen. Aber Fred hatte plötzlich Appetit. Und freundlicherweise erlaubte man ihm im Lokal, sein Handy weiter aufzuladen.
12
In Rheinbrohl gab es an der Hauptstraße den Hinweis »Rockenfeld 8 km« auf einem gelben, pfeilförmigen Schild. Als wäre der Ort immer noch vorhanden. Als wäre er auch nach der Zerstörung noch ein Ziel für Autofahrer.
Fred folgte dem Wegweiser. Er durchquerte ein Wohngebiet und kam auf eine schmale Straße, die erst durch ein kleines
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