Rheinsteigmord - Kriminalroman
sich Fred. Und vielleicht hatte der Kamin auch gar nicht zu einem Haus gehört, sondern war ein gemauerter Grill.
Fred kickte einen Stein zur Seite. Im Grunde war der Besuch enttäuschend. Er hatte Reste von Häusern erwartet. So etwas wie Geisterhäuser. Oder wenigstens ein paar Grundmauern. Vielleicht Eingänge in alte Keller. Irgendetwas, was Geheimnisse bergen konnte. Wenn man nicht wusste, dass es hier ein Dorf gegeben hatte, würde man kaum darauf kommen, wenn man zufällig vorbeikam.
Immerhin gab es eine Bank zum Ausruhen. Fred setzte sich und bemerkte erst jetzt ein kleines Areal, das von penibel geschnittenen Hecken und einem Zaun begrenzt wurde. Es wirkte hier in der Einsamkeit wie ein Fremdkörper. Am hinteren Ende ragte ein Stein auf. Schwarze Metallbuchstaben bildeten die Widmung Den Gefallenen unserer Gemeinde . Davor lag ein Kranz. Ein Eisernes Kreuz krönte das Ganze.
Noch ein Ehrenmal, dachte Fred. Eines, wie man es in vielen Orten antrifft. Nur dass normalerweise die Ortschaft noch existiert.
Er stand auf und ging langsam zu Chandler zurück.
Fred hatte die Schranke schon fast erreicht, da gab es irgendwo vor ihm einen trockenen Knall. Lärm näherte sich von der Straße, wurde höllisch laut, und dann rollte ein Holztransporter aus dem Matschweg in Richtung Rheinbrohl. Der Mann im Führerhaus beachtete Fred nicht.
Kaum war das Röhren des Motors im Wald verschwunden, knallte es ein zweites Mal. Etwas pfiff heulend an Fred vorbei.
Jemand schoss auf ihn!
In plötzlicher Panik rannte Fred in den Wald und bahnte sich einen Weg durch die auf ihn einpeitschenden Äste. Er knickte mit dem Fuß um. Stechender Schmerz blitzte auf. Hastig humpelte er in die Kuhle hinter einem Baumstamm und duckte sich. Sein Puls hatte sich zu einem trommelnden Wummern verstärkt.
Das dumpfe Röhren eines Motors schallte durch den Wald. Reifen knirschten auf der sandigen Oberfläche der Straße. Dann breitete sich wieder Stille aus. Ein Vogel zeterte.
Fred atmete den Geruch der feuchten Erde ein. Er hob den Kopf, sah aber nichts als dichte Äste, Unterholz und Waldboden. Noch nicht einmal die Straße war zu erkennen. Erschöpft wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
Du bist professionell in Deckung gegangen, dachte er nicht ohne Stolz. Als wenn du das jeden Tag erleben würdest.
Nichts war mehr zu hören. Nur das »Wumm, wumm, wumm« seines Herzschlags. Als auch der sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, stand er vorsichtig auf – auf den nächsten Schuss gefasst.
Alles blieb ruhig.
Fred ging ein paar Schritte. Taumelnd. Ein flaues Gefühl lähmte seine Beine. Hinter den Bäumen erkannte er Chandlers schwarz-weißes Zebramuster. Bis dorthin waren es keine zehn Meter, aber zwischen ihm und dem Wagen lag die Einmündung. Freies Gelände. Ohne Deckung.
Waren das wirklich Schüsse gewesen?
Was denn sonst?
Zum Beispiel Fehlzündungen? Es waren schließlich Fahrzeuge im Wald.
Das konnte natürlich sein. Zuerst war der Holztransporter vorbeigebraust. Dann dieser unsichtbare Wagen … Wahrscheinlich ein Pkw.
Geh rüber zum Auto und steig ein, befahl er sich. Du wirst sehen, nichts passiert.
Das flaue Gefühl in Freds Beinen war in ein unbeherrschbares Zittern übergegangen, das nun auch seine Hände erfasste. Doch er gab sich einen Ruck und rannte zu Chandler hinüber.
Die Zeit schien sich zu dehnen.
Fred umrundete den Bulli und kauerte sich hinter der Fahrertür hin. Zittrig zog er den Schlüssel aus der Hosentasche. Öffnete die Tür. Kletterte hinein.
Der Motor sprang sofort an.
Du bist in Sicherheit, sagte er sich. Du warst es die ganze Zeit über.
Niemand hat auf dich geschossen.
Es waren Fehlzündungen.
Er hämmerte es sich ein, aber sein Körper wollte es nicht glauben.
Da sah er das Loch.
Mitten in der Scheibe der Tür auf der Beifahrerseite.
Die Strahlen der Glassprünge liefen sternförmig auseinander.
Fred gab Gas, rangierte rücksichtslos herum. Irgendetwas krachte hinten gegen Chandlers Stoßstange. Fred scherte sich nicht darum, haute den ersten Gang rein und preschte los, dem Schild in Richtung Rheinbrohl folgend. Er begegnete niemandem. Sah niemanden.
Irgendwann hatte er endlich den Wald hinter sich gelassen und atmete auf. In dem Wohngebiet zwang er sich, langsamer zu fahren. Und er hatte fast das Gefühl, nach Hause zu kommen, als er seinen Übernachtungsplatz am Rhein erreichte. Er bremste. Chandlers Motor erstarb.
Die Idylle hier tat ihm gut. Auf dem Pfad zur Fähre und
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