Rheinsteigmord - Kriminalroman
Moment überlegte er, was er tun sollte, wenn ihn jemand aus den vielen Fenstern beobachtete. Tu es einfach, sagte er sich. Ganz selbstverständlich. Dann werden es auch alle anderen für selbstverständlich halten.
Er nahm die Leiter und lehnte sie an die Fassade, unter die Fenster von Daniela Hechts Wohnung.
Er ächzte, als er die Elemente der Leiter auseinanderzog. Es rasselte und schepperte, doch dann war der Aufstieg bereit. So schnell er konnte, erklomm er die Sprossen. Dabei überlegte er, wie er in die Wohnung kommen sollte. Wenn kein Fenster offen war, und davon war auszugehen, musste er eine Scheibe einschlagen. Damit überschritt er ganz klar die Grenzen der Legalität.
Der schmutzige ockerfarbene Putz wurde heller, je weiter Fred hinaufgelangte. Jetzt kam eines der Fenster in Sicht. Neben dem Rahmen, sodass er den Griff auf der Innenseite sehen konnte, war ein gezacktes Loch. Die Scheibe war kaputt.
Jemand war ihm zuvorgekommen.
10
Fred hatte, ohne zu zögern, die Hand durch die Öffnung geschoben und das Fenster geöffnet. Erst als er im Zimmer stand und dem Rauschen in seinen Ohren zuhörte, das im Takt seines Herzschlags immer lauter zu werden schien, wurde ihm klar, dass er vielleicht nicht allein war.
Er lauschte.
Ging ein paar Schritte.
Lauschte wieder.
Alles blieb still.
Er schien allein zu sein.
Und wenn nicht, dann hätte doch die Leiter noch an der Fassade gestanden, dachte er und atmete tief durch.
Er stand mitten in Daniela Hechts Wohnzimmer. Wer auch immer hier drin gewesen war, hatte sich sehr gründlich umgesehen. Ein Kleiderschrank mit geöffneten Türen und halb leeren, durchwühlten Fächern. Herausgezogene Schubladen. Ein Bücherregal. Es war sicher einmal gestopft voll gewesen, doch jetzt lag mindestens die Hälfte der Bücher und Folianten neben Daniela Hechts Kleidung auf dem Teppich. Eine kleine schwarze Couch. Ein Fernseher in der Ecke. Zeitschriften, die wild durcheinanderlagen.
Erst mal einen Überblick verschaffen, dachte Fred. Aber vorher …
Er holte sein Handy und das Ladegerät aus der Tasche und schloss beides an der nächsten Steckdose an. Dann untersuchte er weiter Daniela Hechts Wohnung.
Neben dem Wohnzimmer gab es einen Schlafraum, in dem nur ein breites Bett Platz fand, weshalb der Schrank wohl auch nebenan stand. Dann ein ebenfalls kleines Bad und ein Arbeitszimmer. Die Fenster gingen auf die Straße.
Hier hatte Freds Vorgänger besonders gründlich gesucht. Es war unmöglich, zum Schreibtisch zu gelangen, ohne auf Papiere, Ordner oder Bücher zu treten. Der Schreibtisch war eine Platte auf Böcken. Links und rechts hatte Daniela Hecht Schubladencontainer daruntergeschoben. Sie waren herausgerollt und geöffnet worden.
Fred berührte die Computermaus, und mit einem leisen Summen erwachte das Gerät aus dem Stand-by-Modus. Der Bildschirm wurde hell. Mehrere virtuelle Fenster waren offen. Sie lagerten übereinander.
Fred betrachtete nachdenklich den Monitor.
Der Einbrecher hatte etwas gesucht. Entweder hatte er es hier gefunden oder nicht gefunden, und es war ihm egal gewesen, wer als Nächstes auf den Computer sah. Oder er war nicht mehr dazu gekommen, den PC auszuschalten, weil er überrascht worden war.
Er nahm die Maus und untersuchte den Inhalt des Bildschirms. Es waren keine Dokumente geöffnet, sondern Verzeichnisse. Fred las die Namen: Rheinbrohl. Rockenfeld. Und CERACK . In Großbuchstaben. Das musste eine Abkürzung sein. Die Ordner waren alle in den letzten Monaten angelegt worden. Nur das Verzeichnis mit dem Namen Rockenfeld enthielt eine Datei. Die anderen waren leer.
Der Einbrecher hat nicht nur etwas gesucht, dachte Fred, er hat etwas gelöscht.
Ob Wieland Hecht etwas von dem Einbruch mitbekommen hatte? Sicher nicht. Sonst hätte er es der Polizei gemeldet. Beziehungsweise es Fred, den er ja für einen Polizisten hielt, erzählt.
Er machte die Fenster klein und öffnete den elektronischen Papierkorb. Er war leer.
Fred überlegte. Sicher, man konnte gelöschte Dateien wiederherstellen. Aber dafür müsste er die Festplatte ausbauen und mitnehmen. Und seine Anwesenheit hier war schon illegal. Natürlich würde er das als Überprüfung eines Einbruchs auslegen können: Wissen Sie, Herr Kommissar, ich wollte mich mit Herrn Hecht unterhalten, und da habe ich vom Hof aus gesehen, dass das Fenster kaputt war. Also habe ich mir gesagt: Schau doch mal nach, was da los ist.
Ja, das würde noch irgendwie gehen.
Aber etwas mitnehmen …
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