Rheinsteigmord - Kriminalroman
ließ Fred aufschrecken. Eine Männerstimme rief etwas.
Er steckte den Zettel ein, verließ das Arbeitszimmer und näherte sich vorsichtig dem Wohnzimmerfenster, durch das er eingestiegen war.
Ein Mann in schmutziger Arbeitskleidung war damit beschäftigt, die Leiter an die gegenüberliegende Wand zu lehnen. Ein zweiter sah zu. »Welcher Dämel stellt immer die Leiter hierhin?«, rief er verärgert.
Fred unterdrückte einen Fluch. Er ging in den Flur. In einer Schale auf einer Kommode lagen mehrere Schlüssel. Keiner passte. Er zog die Schubladen auf, fand Handschuhe, Schals und einen kleinen Schirm, der so ähnlich aussah wie der, den er am Ehrenmal gefunden hatte.
Es war kein Wohnungsschlüssel zu finden.
Irgendwann fiel Fred ein, die Klinke zu probieren.
Die Wohnungstür öffnete sich. Sie war nur zugezogen gewesen!
War Daniela Hecht wirklich nach Rheinbrohl gefahren, ohne die Wohnungstür abzuschließen? Schwer zu glauben. Der Einbrecher musste den Zweitschlüssel gefunden, die Tür von innen geöffnet und den Schlüssel mitgenommen haben. Was nichts anderes hieß, als dass er jederzeit wieder in die Wohnung konnte.
Warum war er dann nicht zurückgekehrt und hatte alle Spuren beseitigt? Weil er sich nicht traute? Weil er Angst hatte, gesehen zu werden? Weil die wirklich wichtigen Spuren schon beseitigt waren?
In letzter Sekunde, als er die Tür gerade von außen schließen wollte, fiel Fred sein Handy ein, und er lief zurück, um es zu holen. Der haarfeine grüne Strich hatte sich etwas verdickt. Immerhin.
11
Er bugsierte Chandler aus der Parklücke und fuhr über die Rheinbrücke in die Koblenzer Innenstadt. Er hatte erst vorgehabt, im Löhr-Center zu parken, aber er war nicht sicher, ob er mit dem Bulli in ein Parkhaus kam. Am Peter-Altmeier-Ufer wurde er fündig.
Am Plan, dem rechteckigen Platz in der Altstadt, fand er ein Internetcafé und setzte sich an einen der Bildschirme, das aufgeschlagene Notizbuch neben der Tastatur.
Rockenfeld. Rockefeller.
Der Gleichklang von Daniela Hechts Ordner und dem legendären US -Milliardär war Fred schon in der Wohnung aufgefallen – aber nur als unwillkürliche Assoziation. Als halb bewusste Idee, die man gleich wieder verwarf.
Jetzt erfuhr er, dass es da tatsächlich einen Zusammenhang gab. Diverse Internetseiten berichteten davon, und auch das Internet-Lexikon Wikipedia hatte sich der Sache angenommen. Fred wusste, dass man nicht alles glauben durfte, was man im Internet zu lesen bekam, aber die Quellen waren zahlreich und die Absender zu großen Teilen glaubwürdig, sodass er die Information ernst nahm.
Rockenfeld war ein Dorf, das irgendwo hinter Rheinbrohl im Westerwald lag. Es gehörte heute zu Neuwied. Von seinem Namen leitete sich der Name Rockefeller ab, und tatsächlich stammten die Vorfahren des Industriellen John D. Rockefeller von dort. Um 1700 waren zwei Rockenfeller, wie sie damals noch hießen, nach Amerika ausgewandert und hatten dort ihren Familiennamen geändert. John D. Rockefellers Vater hatte in den USA seinen Lebensunterhalt noch als Hausierer bestritten. Der berühmte Sohn hatte es mit Ölgeschäften zum reichsten Menschen der Neuzeit gebracht.
Fred wusste, dass der Name Rockefeller als Synonym für einen reichen Menschen verwendet wurde. Aber der reichste der Neuzeit? Nun las er staunend die Analyse des Wikipedia-Autors. Bedachte man die Teuerungsraten und die Vermögensverhältnisse, stellte das Vermögen, das John D. Rockefeller am Ende seines fast hundertjährigen Lebens im Jahre 1937 angehäuft hatte, anscheinend alles in den Schatten, was man heute in den Medien als Reichtum vorgeführt bekam – die Vermögen des mexikanischen Telekommunikations-Milliardärs Carlos Slim Helú, des Microsoft-Gründers Bill Gates und anderer Superreicher inklusive.
Fred konnte den Berechnungen nicht im Detail folgen. Es war ja auch egal, wie viele Milliarden wer wann besaß und was sie letztlich wert waren. Eines jedoch war ihm klar: Für eine Journalistin war die Geschichte über die Rockefellers aus Rockenfeld sicher ein Thema. Und wenn das Internet die Story schon kannte, musste sie etwas entdeckt haben, was neu war.
Erbschaft, hatte sie auf dem Zettel notiert.
Fred holte ihn aus der Tasche und überprüfte noch einmal die Schraffur.
Ging es am Ende um das Erbe der Rockefellers?
Fred schüttelte den Kopf. Das war unmöglich. Er kannte natürlich die Geschichten um Erbschaftsansprüche, die durch plötzlich auftauchende uneheliche
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