Rheinsteigmord - Kriminalroman
Vater, der sogar ihren zwanzigsten Geburtstag vergaß. Ein Kloß schien ihn in der Kehle zu drücken, aber Fred schluckte ihn hinunter, so gut es ging, und begann zu erzählen.
Ludi hörte zu, stellte keine Zwischenfragen, sondern nickte nur hin und wieder seiner Blechtasse zu.
»Glaubst du wirklich«, fragte er, als Fred geendet hatte, »dass die Sache heute Nacht ein Traum war? Und dass du im Suff deinen Wagen selbst an die andere Stelle gefahren hast?«
»Wie soll es sonst gewesen sein?«
Ludi umfasste die Tasse mit beiden Händen. »Es klingt vielleicht komisch, aber … Ich meine, zu meiner Zeit gab es das noch nicht so oft beziehungsweise eigentlich gar nicht. Aber ich verfolge immer noch die aktuellen Kriminalfälle. Sie interessieren mich nämlich …«
»Worauf willst du hinaus?«
»Ich glaube, jemand ist in deinen Wagen eingedrungen. Wenn es möglich war, durch das Loch den Innenknopf hochzuziehen. Wenn er nicht sowieso mit der Hand an den inneren Türgriff kam oder die Tür unverschlossen war.«
»Und dann?«, fragte Fred ungeduldig.
»Hat er deinen Whisky manipuliert. Hat K.-o.-Tropfen reingeschüttet.«
»K.-o.-Tropfen?« Fred wusste natürlich, wovon Ludi sprach. Von der unsichtbaren und geschmacksneutralen Chemikalie, vor der sich heute fast jeder in Acht nehmen musste – vor allem Mädchen in Diskotheken, weshalb viele ständig auf ihr Glas aufpassten. Manche hielten sogar andauernd eine Hand darüber, wenn sie in den Clubs herumliefen. Das Zeug war angeblich leicht im Internet zu beschaffen. Und schon wenige Stunden später nicht mehr im Blut des Opfers nachweisbar. Der ideale Helfer für Vergewaltiger und Räuber. Das Gemeine war, dass man sich unter dem Einfluss des Mittels bewegen und sogar gehen konnte – torkelnd zwar, aber immerhin.
»Hast du an der Flasche vielleicht etwas bemerkt, bevor du getrunken hast?«, fragte Ludi. »Dass sie anders dalag als zuvor zum Beispiel?«
»Könnte schon sein.«
»Fassen wir zusammen: Man hat dich betäubt. Dann hat man deinen Wagen weggefahren und dich irgendwo anders hingebracht.«
Auch das stimmte. Fred hatte, kurz bevor er auf dem Bett weggedämmert war, das Gefühl gehabt, Chandler würde fahren.
»Und vermutlich hat man dir dann auch noch was vorgeführt. Du hast nicht von dem Krieg geträumt, Fred. Du hast ihn gesehen.«
»Was? Die Szenen sind doch Vergangenheit.«
»Es gibt natürlich Filmaufnahmen. Sie sind sogar zum Teil nachträglich koloriert worden.«
»Was ich gesehen habe, war schwarz-weiß. Aber es gab Ton. Explosionen, Geratter, Schüsse.«
»Man hat die Filme nachträglich mit Ton unterlegt. Mit den Explosionen, den Schüssen, den Schreien, dem Geknatter, dem Rasseln von Panzern.«
»Einen Panzer habe ich auch gesehen.« Fred dachte an das Ungeheuer, das aus dem Schlamm aufgetaucht war.
»Das wirkt alles besonders stark, wenn man unter Betäubung steht.«
Ludi schwieg. Fred dachte nach. Es erschien ihm irgendwie absurd, aber tief in seinem Inneren wusste er, dass Ludi recht hatte. Eine sehr große Unklarheit gab es jedoch – abgesehen von der Frage, wer das getan hatte.
»Warum das alles?«, fragte Fred. »Ich bin auf der Suche nach einem Mann und gerate an einen Mordfall. Wenn das jemandem nicht passt, warum hat er mich dann nicht auch einfach um die Ecke gebracht? Stattdessen zieht er eine perfide ausgeklügelte Show mit mir ab. Und wieso hat derjenige den Bulli danach nicht zurück an meinen Lagerplatz gefahren? Warum all die Mühe?«
»Noch weißt du nicht, ob es Mord war«, sagte Ludi. »Ich muss deiner Tochter in vielen Punkten recht geben. Eigentlich weißt du gar nichts. Du weißt noch nicht mal, ob das Verschwinden des Professors und der Tod der jungen Journalistin wirklich etwas miteinander zu tun haben. Und wenn Daniela Hecht umgebracht wurde, muss ihr Mörder nicht derjenige sein, der dir heute Nacht eine Filmvorführung gab. Fred, ich glaube, du bist ein lausiger Detektiv.«
»Was soll ich tun?«
»Ein Ermittler würde viel genauer das Umfeld des Opfers absuchen. Auch wenn du der Ansicht bist, dass Friesdorfs Verschwinden und Daniela Hechts Sturz von der Ley miteinander in Zusammenhang stehen, darfst du dich nicht nur auf etwaige Gemeinsamkeiten konzentrieren. Besorg dir Listen mit allen Menschen, die deine Opfer gekannt haben. Das ist eine reine Fleißarbeit, aber sie ist wichtig. Im wahren Leben sind ganz viele Beamte mit so was beschäftigt. Die Ermittlungen laufen nicht so ab wie in den
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