Rheinsteigmord - Kriminalroman
Inklusive der Turnschuhe.
»Und?«, fragte Hecht unerwartet kurz. Als Fred nicht gleich antwortete, setzte er hinzu: »Entschuldigen Sie, aber ich habe zu tun.«
»Müssen Sie sich wieder auf einen Auftritt vorbereiten?«, fragte Fred. »Ich habe Ihr Konzert in Frankfurt im Radio gehört. Sehr eindrucksvoll, diese Interpretation der Chaconne. Sie haben ja auch entsprechenden Erfolg gehabt.«
»Bitte reden Sie nicht so viel«, sagte Hecht, machte ein gequältes Gesicht und hielt sich die Hand an die Schläfe.
Das musst du gerade sagen, dachte Fred. Es ärgerte ihn, dass der Geigenvirtuose auf sein Kompliment nicht einging.
»Sagen Sie, was Sie wollen, und lassen Sie mich dann bitte allein.«
»Ich hätte noch ein paar Fragen an Sie. Ganz einfach. Und außerdem möchte ich gern …« Fast hätte Fred sich versprochen und »noch mal« gesagt, aber er bekam im letzten Moment die Kurve. »Ich würde gern einen Blick in die Wohnung Ihrer Schwester werfen.«
»Da gibt’s nicht viel zu sehen. Ein einziger Saustall. Ich habe selbst einen Schlüsseldienst beauftragt und mich gestern mal darin umgesehen. Sogar das Fenster war kaputt. Unglaublich. Das hätte sie mir doch sagen können. Also gut, nun kommen Sie schon rein.«
Fred betrat die Wohnung. Hecht führte ihn an den Komponistenbildern vorbei in ein Wohnzimmer, das ihm geradezu entgegenleuchtete: Am Boden helles Parkett. Großformatige abstrakte Bilder an den Wänden, die aussahen, als hätte der Künstler Farbtöpfe aller farblichen Richtungen darauf ausgeleert. An der einen Wand ein riesiges CD -Regal. Daneben eine schwarze, klotzige Anlage. Frei stehende Surround-Lautsprecher. Ein schwarzes Ledersofa. Mitten im Raum stand etwas, was dort nicht hingehörte: ein Bügelbrett. Daneben ein großer Plastikkorb mit Wäsche. Alles rosa.
Hecht stellte den Wagner ab, und plötzlich war es still.
»Wieso hätte sie es Ihnen sagen sollen?«
»Setzen wir uns doch …« Er wies auf das Sofa.
Fred nahm die eine Ecke, Hecht die andere.
»Die beiden Wohnungen, also diese hier und die gegenüber, gehören mir«, sagte Hecht. »Ich habe sie von unseren Eltern geerbt.«
Erbschaft, dachte Fred. Da ist sie wieder. »Erben Geschwister nicht gemeinsam?«, fragte er.
»Sicher. Daniela bekam Geld. Aber sie wusste nicht damit umzugehen. Sie hat es irgendwie durchgebracht.«
»Irgendwie?«
»Ach, was weiß ich. Sie war freie Journalistin. Sie hat mit Geld Zeiten überbrückt, in denen sie nicht so viel verdient hat. Sie hat sich ein teures Auto gekauft. Und dann war sie an einem Hörbuchverlag beteiligt, der pleiteging. So kann man schon Geld verlieren. Aber sagen Sie, warum ist das so wichtig? Welche Rolle spielen die finanziellen Verhältnisse meiner Schwester bei ihrem Unfall? Ich muss nun sehen, dass ich die Wohnung vermietet bekomme. Ich habe Daniela dort lange umsonst wohnen lassen, weil sie keine Miete mehr zahlen konnte.«
»Dann werden Sie aber doch sicher auch noch eine Weile auf die Miete verzichten können, oder nicht?«
»Wissen Sie, Herr …«
»Bleikamp.«
»Herr Bleikamp, es geht Sie ja nun gar nichts an, aber Sie können sich vorstellen, dass mit Danielas Tod große Aufgaben vor mir stehen, die mir auch finanziell einiges abverlangen. Ich bin ihr einziger noch lebender Verwandter. Sie verstehen sicher, was ich meine.«
»Sie meinen doch wohl nicht die Kosten für die Beerdigung.«
Er nickte. »Schon bei unseren Eltern war es nicht sehr preiswert. Sie haben sicher keine Ahnung, was so was kostet.«
»Ich habe den Eindruck«, sagte Fred, »als hätten Sie sich mit Ihrer Schwester nicht besonders gut verstanden.
Hecht verzog spöttisch den Mund. »Nachdem sie mich halb ruiniert hat? Das ist ja wohl kein Wunder, oder?«
»Waren Sie schon mal auf der Rheinbrohler Ley? Kennen Sie das Ehrenmal, das Ihre Schwester besucht hat, bevor sie starb?«
»Nicht dass ich wüsste. Ich habe keine Zeit für Wanderungen.«
»Wie ich Ihnen schon bei meinem ersten Besuch sagte: Ihre Schwester war dort oben mit jemandem verabredet, den sie nicht kannte. Oder sie kannte ihn doch, und es hat sie nur jemand dort hinaufgelockt.« Fred beobachtete Hecht genau, während er seinen Verdacht enthüllte. Bis jetzt zeigte das Gesicht des Mannes jedoch nur Verwirrung. Und die schien nicht gespielt zu sein.
»Könnten Sie bitte mal etwas deutlicher werden?«, bat Hecht.
»Ihre Schwester hat an mehreren journalistischen Projekten gearbeitet. Eines davon betraf Rheinbrohl.
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