Rheinsteigmord - Kriminalroman
Beziehungsweise die kleine Gemeinde Rockenfeld in der Nähe. Und Journalisten treffen sich gelegentlich mit Informanten, das gehört zu ihrem Job. Demnach könnte sich jemand, der sie umbringen wollte, als Informant ausgegeben und sich mit ihr dort oben am Ehrenmal verabredet haben. Unter falschem Namen oder ohne ihn zu nennen. Es ist ein wunderbarer Platz, um jemanden um die Ecke zu bringen, sage ich Ihnen.«
»Was ist das für ein Ehrenmal?«, fragte Hecht.
»Ein Ehrenmal für Gefallene des Ersten Weltkriegs. Es steht ganz in der Nähe der Stelle, an der Ihre Schwester abgestürzt ist. Dort geht der Rheinsteig vorbei. Viele Touristen passieren die Stelle. Wanderer. Aber doch nicht so viele, dass es dort oben nicht auch recht einsam wäre.«
»Sie meinen also tatsächlich, jemand könnte meine Schwester dort hinuntergestoßen haben?« Hecht wirkte, als hätte er das erst jetzt verstanden. Doch der Trick war alt. Man tat so, als würde man den Gedanken des Gegenübers hinterherhinken, als würde man nichts verstehen. Weiter, dachte Fred. Denk an das, was Ludi dir erzählt hat.
»Gibt es in Ihrer Familie jemanden, der alte Waffen besitzt?«
»Wieso in meiner Familie? Was hat meine Familie damit zu schaffen?«
»War Ihr Vater vielleicht Soldat? Zum Beispiel in Koblenz? Und wenn nicht Ihr Vater, dann möglicherweise ein Onkel oder ein Großvater? Leute aus diesen Kreisen sind manchmal Sammler von militärischen Gegenständen. Sie sammeln alles Mögliche. Bücher, Orden, Uniformteile. Manchmal auch Waffen. Das ist nicht unbedingt legal. Aber wer kontrolliert das schon?«
Wieland Hecht sprang auf und stellte sich hinter das Bügelbrett. Das Eisen war heiß. Fred bemerkte die rote Lampe. Das Kabel steckte in der Wand. Hecht nahm ein rosa T-Shirt aus dem Korb und begann, es zu bügeln. Er wirkte verkrampft.
Er schien die Fragen gar nicht gehört zu haben. »Meinen Sie vielleicht, ich hätte Daniela von dem Felsen gestoßen?«, rief er. »Warum hätte ich das tun sollen?«
»Sie haben mir gerade selbst gesagt, dass sie Sie ruiniert hat.«
Er knallte das Bügeleisen in die Halterung und faltete das T-Shirt zusammen.
»Das ist natürlich übertrieben. Ich habe mich über Daniela geärgert, ja. Sie hat eine Menge Geld durchgebracht. Und ich kann einfach nicht verstehen, dass jemand es nicht schafft, seinen Unterhalt zu verdienen, gleichzeitig aber so viel Kapital verjubeln kann.«
»Sie verstehen das nicht? Sie sind doch Künstler. Bei Ihnen läuft es doch sicher auch nicht immer rund.«
»Machen Sie sich um meine Finanzen mal keine Sorgen, Herr Bleikamp. Ja, ich bin Künstler. Aber ich habe nie über meine Verhältnisse gelebt. Ich habe Musik studiert, nachdem ich erste Erfolge beim Wettbewerb ›Jugend musiziert‹ verzeichnen konnte. Ich hatte einen guten Professor, der mich exzellent auf mein Konzertexamen vorbereitet hat. Für mein Studium benötigte ich exakt die Regelstudienzeit und erhielt dann eine Festanstellung in der Rheinischen Philharmonie. Dort versehe ich meinen Dienst an der ersten Geige. Mein Gehalt ist tariflich geregelt. Ich habe Rentenansprüche und ein Anrecht auf Urlaub. Und trotz der Vollzeitbelastung gelingt es mir, nebenbei noch Soloauftritte zu absolvieren. Eine Agentur vermittelt mir die Engagements.«
Fred staunte. Der Mann redete über seine Musikerkarriere wie über eine Beamtenlaufbahn. Hecht legte das zusammengefaltete Shirt auf die Ecke des Bügelbretts und nahm das nächste.
»Und noch was: In meiner Familie gibt es keine Kriegsverherrlicher. Auch keine Sammler von Militaria. Mein Vater war evangelischer Pfarrer in Kaiserslautern. Und sein Vater hatte denselben Beruf. In meiner Familie gibt es auch keine Onkel, nur Tanten. Eine davon war mit einem hohen Tier vom Landeskirchenamt verheiratet, sie besaß ursprünglich diese beiden Wohnungen. Ach ja, und bevor ich es vergesse: Am Tag, als meine Schwester umkam, waren wir mit der Rheinischen Philharmonie in Bad Kreuznach. Wir sind vormittags losgefahren, weil wir noch proben mussten. Das Orchesterbüro bestätigt Ihnen bestimmt, dass ich an diesem Tag Dienst hatte.«
Die Klingel schrie auf. Hecht schmiss das Hemd hin. »Entschuldigen Sie mich bitte.«
Er ging zur Tür und wartete offenbar bei den Komponistenbildern, bis jemand die Treppe heraufgekommen war. Dann sprach er kurz mit irgendwem. Es klapperte ein Schlüssel. Fred dachte sich nichts dabei. Er holte sein Notizbuch hervor, machte ein paar Eintragungen und hing seinen
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