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Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)

Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Rhönblut: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeno Diegelmann
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ältere Frau auf dem Fahrrad hatte neben dem Auto gehalten und hatte die Auseinandersetzung im Fahrzeug wohl bemerkt. Aufgeregt fuchtelte sie mit ihren Händen herum.
    Julia Freitag ließ das Fenster herunter und giftete die Frau an. »Was wollen Sie?«
    »Was ich will?« Erstaunt richtete sich die Frau auf. »Na, ich wollte Ihnen helfen. Ich habe alles genau gesehen. Der Mann hat sie angegriffen. Wenn Sie möchten, rufe ich die Polizei. Ich wohne dort vorn im nächsten Dorf.« Die alte Dame schob die Kapuze ihres Regencapes zurück, dann begutachtete sie Freitags Verletzung. »So ein Schwein! Und das am helllichten Tag.«
    »Nein, keine Polizei.«
    »Wie bitte? Warum denn das nicht?«
    »Weil, weil das … das ist mein Vater«, log sie. »Er ist Alkoholiker.«
    »Hilfe, helfen Sie mir …«, stammelte Hübner vor sich hin. Er versuchte sich bemerkbar zu machen, aber seine Kräfte schwanden rapide.
    Die Radfahrerin schaute verdutzt. »Alkoholiker? Er wollte Sie also nicht vergewaltigen?«
    »Nein. Er hatte nur so eine Art Anfall.«
    »Aber Sie sind verletzt. Sie bluten aus der Nase.«
    »Ach, das ist nicht weiter schlimm.« Julia Freitag wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. Es schmerzte höllisch. »Das ist nur ein Kratzer.«
    Die Frau zuckte mit ihren Schultern, setzte sich ihre Kapuze wieder auf und fuhr in Richtung des Dorfes.
    »Vergewaltigt«, schnaubte Freitag. »Das hat er schon längst getan.«
    Um den Blutfluss zu stoppen, zog sie ihren Pullover aus und drückte ihn fest gegen die Nase. Die Suchmeldung brachte sie in Bedrängnis. Sie musste ihren Plan ändern. Sie musste noch mal in die Stadt. Wenn sie Glück hatte, war sie noch vor den Kollegen bei sich zu Hause und konnte ihre Spuren verwischen, bevor sie in die Wohnung eindrangen. Und wenn nicht, hatte sie auch für diesen Fall vorgesorgt. Sie war froh, dass sie schon vor Wochen alle Vorkehrungen dafür getroffen hatte. Kies spritzte hinter dem Fahrzeug auf, als sie wendete und in entgegengesetzter Richtung davonfuhr.

37.
    Die Wohnung war spärlich eingerichtet. Auf den Kommissar wirkte sie so, als ob jemand kurz vor dem Auszug stand oder nie wirklich eingezogen war. Geradeso, als ob Freitag immer auf Abruf gestanden hätte, jeden Tag verschwinden zu müssen. Weder Fotos noch andere persönliche Gegenständen befanden sich in der Wohnung. Hier war kein Platz für Erinnerungen oder Liebe. Es erinnerte ihn an sein eigenes Zuhause. Hier lebte jemand, den die Gesellschaft eher nervte, als dass er daran teilnahm. Jemand, deres vorzog, sich von dem Leben abzukapseln, als es in die Arme zu schließen.
    »Noch mal sorry,« entschuldigte sich Ammer zum fünften Mal. »Ich war zu aufgeregt und nervös. Da habe ich einfach den normalen Ablauf eingeleitet, wie wir ihn auf der Polizeischule gelernt haben.«
    »Vergessen Sie es.« Seeberg atmete tief ein. »Schauen Sie sich jetzt lieber nach verwertbaren Spuren um. Adressen von Freunden und Bekannten. Postkarten, Briefe, Hotelrechnungen. Sie kann noch nicht alles beseitigt haben. Wenn wir wissen, wer sie wirklich ist, wissen wir auch, wo sie ist.«
    Ammer nickte aufgeregt und machte sich sogleich an die Arbeit.
    Auch der Kommissar sah sich um und ging in die Küche. Er wühlte im Mülleimer, fand darin aber nur Verpackungen und Bio-Abfälle.
    »Stimmt das wirklich?« Kohler war zu ihnen in die Wohnung geeilt. Nun stand er kurzatmig neben dem Kommissar in der Küche und hielt den Ausdruck des Fahndungsfotos in seinen Händen.
    »Da gibt es wohl kaum noch Zweifel, Reinhard.«
    »Unsere Freitag, unfassbar.« Kohler zerknäulte den Ausdruck und sah sich um. »Die Wohnung ist irgendwie seltsam. So steril.«
    »Ja, ist mir auch schon aufgefallen.«
    »Normalerweise richtet man sich doch einen Rückzugsortein, eine Insel, auf die man sich flüchten kann. Aber hier fehlt es an jeglicher Wärme und Individualität. Es wirkt eher wie eine Musterwohnung in einem Möbelhaus.«
    »Sie war eben nur auf ihre Aufgabe fixiert. Eine Wohnung benötigte sie nicht, eher eine Basis, eine Einsatzzentrale. Und das hat sie sich hier geschaffen.«
    Sein Handy klingelte.
    »Ja? Seeberg.«
    »Sie haben es also herausgefunden.«
    Seeberg erkannte die Stimme sofort. »Freitag?«
    »Es war mir von Anfang an klar, dass Sie auf die Spur von mir und meiner Schwester kommen würden. Ich dachte nur nicht, dass es so schnell gehen würde.«
    Kohler und der Kommissar tauschten erstaunte Blicke. Kohler machte darauf eine kreisende Bewegung mit

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