Rhosmari - Retterin der Feen
kostbares Gewand oder die Blicke der anderen Ältesten zu achten, kniete sich Lady Celyn in den Sand und zog Rhosmari in ihre Arme.
»Meine Tochter«, flüsterte sie. »Ach, meine liebe Tochter, du hast so viel gelitten, und das alles, weil ich so stolz war. Verzeih mir, wie ich dir bereits verziehen habe.«
Betäubt ließ Rhosmari zu, dass ihre Mutter ihr auf die Beine half. Lord Gwylan trat vor und ergriff freudig ihre Hand.
»Ohne dich wären wir nicht auf die Ankunft der Kaiserin vorbereitet gewesen, Rhosmari«, sagte er. »Malve hat deine Nachricht Timothy ausgerichtet und er hat sie an die Eichenfeen weitergegeben. Alle deine Freunde unter den Menschen und Feen sind gemeinsam hierhergekommen und Königin Baldriana hat uns rechtzeitig benachrichtigt.«
Baldriana, natürlich. Sie war von allen Feen diejenige, der die Ältesten der Kinder des Rhys am ehesten zuhören würden. Sie hatte nie gegen jemanden Gewalt angewendet und auch niemanden verraten und niemand konnte bestreiten, dass sie sich selbstlos für ihr Volk einsetzte. Die Ältesten hatten Timothys und Lindes Bitte um Hilfe abgewiesen und Garan und seine Leute verstoßen, aber nicht einmal die strengsten Gesetze der Grünen Inseln konnten verhindern, dass sie Königin Baldrianas Hilfegesuch stattgaben.
»Das mit Garan tut mir so furchtbar leid«, sagte Rhosmari und versuchte den Kloß in ihrer Kehle hinunterzuschlucken. Sie verstand jetzt, was ihre Mutter gemeint hatte, als sie gesagt hatte, vor allem Lady Arianllys habe das Recht, über das Schicksal der Kaiserin zu entscheiden.
»Wir vermissen ihn schmerzlich«, sagte Arianllys. »Aber ich habe seinen Tod ebenso wie die Zerstörung des Namenssteins bereits an dem Tag, an dem er die Grünen Inseln verließ, vorausgesehen. Ich habe trotzdem darum gebetet, die Vision möge falsch sein und du könntest ein Mittel finden, es zu verhindern … aber jetzt weiß ich, dass es so geschehen musste.« Sie strich Rhosmari über die Wange. »Ich wünschte nur, er hätte die Erfüllung seines Traumes von der Befreiung der Sklaven der Kaiserin noch erlebt.«
Hinter ihnen saßen die Soldaten der Kaiserin im Sand, zu schwach zum Kämpfen, selbst wenn sie es gewollt hätten. Die Eichenfeen hatten ihre Waffen auf einen Haufen geworfen, ließen ihre Gegner aber nicht aus den Augen. Peri hatte sich die Armbrust über den Rücken gehängt und jeweils einen Arm um Linde und Timothy gelegt und unterhielt sich mit Königin Baldriana.
In einiger Entfernung von ihnen standen die verbannten Kinder des Rhys, die noch lebten, Broch, Llinos und rund dreißig weitere junge männliche Feen, und blickten mit sprödem Stolz zu den Familien hinüber, die sie verlassen hatten, und den Ältesten, von denen sie zu Verrätern an ihrem eigenen Volk erklärt worden waren. Garan mit seinen meergrünen Augen und dem liebenswerten Lächeln war nicht unter ihnen und würde es nie mehr sein.
»Das wünschte ich auch«, sagte Rhosmari leise.
»Der Krieg ist zu Ende«, erklärte Lady Celyn und ließ den Blick über die am Strand versammelten Feen wandern. Neben ihr stand zwischen zwei Wächtern des Rats Jasmin in ohnmächtigem Schweigen und mit finsterer Miene. »Die Macht der Kaiserin ist gebrochen. Sie wird für ihre Verbrechen die verdiente Strafe erhalten, genauso wie alle, die ihr freiwillig bei ihren Machenschaften geholfen haben.«
»Verdiente Strafe?«, fragte Martin und kniff die Augen zusammen. Er rollte einen Kiesel zwischen den Fingern. »Soll das heißen … hingerichtet?«
Er hatte allen Grund, eine Strafe zu fürchten, dachte Rhosmari, zumal jetzt, wo er wusste, dass die Älteste mit dem strengen Gesicht, die vor ihm stand, Rhosmaris Mutter war. Mitleid regte sich in ihr und sie wollte ihn schon beruhigen, da sprach wieder Lady Celyn.
»Wir verhängen keine Todesstrafen, auch nicht im Namen der Gerechtigkeit. Genauso wenig foltern wir unsere Gefangenen oder lassen sie verhungern. Aber sie bleiben gefangen in durch Eisen abgeschirmten Zellen an Orten fern aller Wohnungen der Menschen oder Feen. Fliehen können sie von dort nicht.«
Martin nickte langsam. »Verstehe«, sagte er und straffte die Schultern, als wollte er sich auf sein Schicksal vorbereiten. Er trat neben die Kaiserin, spielte weiter mit dem Stein in seiner Hand – und verwandelte ihn mit einem Fingerschnippen in einen silbernen Dolch, den er Jasmin ins Herz stieß.
Der Mord kam so unerwartet und war mit einer so brutalen Entschlossenheit ausgeführt worden,
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