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Rhosmari - Retterin der Feen

Rhosmari - Retterin der Feen

Titel: Rhosmari - Retterin der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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konnten es vielleicht auch – vorausgesetzt, die Ältesten ließen Gnade walten.
    Daran, dass die Ältesten auch ihr die Rückkehr auf die Grünen Inseln verwehren könnten, wenn sie den Stein nicht mitbrachte, wollte sie lieber nicht denken.

DREI

    Endlich kroch die Sonne über den Horizont und beschien eine steinige, hügelige Landschaft, überzogen mit einem Flickenteppich kleiner Wiesen, die mit Schafen gesprenkelt waren. Bäume waren nicht zu sehen, nur hin und wieder einige Büsche. Die Landschaft war von einer wilden Schönheit, doch Rhosmari fühlte sich ausgesetzt und zum ersten Mal in ihrem Leben einsam.
    Sie näherte sich dem Städtchen St. David’s und dabei wurde ihr noch seltsamer zumute. Bis dahin hatte sie nur einzelne Menschen gesehen, jetzt waren sie auf einmal überall. Sie fuhren in Autos und auf Fahrrädern, was allein schon ein erstaunlicher Anblick war, spazierten für sich und in Paaren oder Familien oder führten Hunde aus, die bellten und an ihren Leinen zogen, wenn Rhosmari an ihnen vorbeiging. Selbst um diese frühe Stunde waren die Straßen voller Menschen, und jedes Mal wenn sie einem begegnete, musste sie sich beherrschen, ihn nicht einfach anzustarren.
    Nie zuvor hatte sie so beleibte Gestalten gesehen, denn Feen waren zwar mager oder stämmig, aber fast nie dick. Genauso wenig hatte sie damit gerechnet, wie sehr sie der Anblick von Gesichtern älterer Menschen mit ihren Falten, Flecken und grauen Haaren erschrecken würde. Natürlich wusste sie, dass ein Menschenleben im Vergleich zu einem Feenleben kurz war und dass die Körper der Menschen anfälliger für Krankheiten und Verfall waren. Darüber zu lesen war allerdings etwas ganz anderes, als es mit eigenen Augen zu sehen.
    Doch so hinfällig die Menschen sein mochten, verfügten sie doch auch über gewaltige Kräfte. Sie verwendeten große Mengen von kaltem Eisen und verarbeiteten es zu Pfosten und Geländern. Auf dem Weg von der Kathedrale hätte Rhosmari fast ein eisernes Tor berührt, bevor sie die Gefahr gerade noch erkannte und die Hand zurückzog. Eisen schwächte Feen und sie konnten dann nicht mehr zaubern – und in dieser feindseligen Umgebung konnte Rhosmari es sich nicht erlauben, auch nur einen kurzen Moment wehrlos zu sein.
    Erst recht nicht, seit sie wusste, dass Menschen ihren Großvater umgebracht hatten.
    Wie war das passiert und warum? Sie musste ihre Mutter fragen, aber das ging jetzt nicht. Bei aller Entschlossenheit, Garan und den Stein zu suchen, war Rhosmari jetzt doch ein wenig mulmig zumute. Bisher hatte sie es ihrer Mutter übel genommen, dass sie nicht aufs Festland durfte – jetzt verstand sie besser, wie gefährlich die Welt der Menschen sein konnte.
    Dabei sah diese Welt überhaupt nicht so aus. Die gemütlichen Gassen von St. David’s waren von weiß verputzten oder grauen steinernen Häusern gesäumt. Die Glocken der alten Kathedrale, von der das Städtchen seinen Namen hatte, läuteten. Rhosmari verspürte schon wieder Hunger. Als sie an einem offenen Fenster vorbeikam und der Duft brutzelnder Würstchen ihr in die Nase stieg, begann ihr Magen laut zu knurren. Hoffentlich fand sie bald jemanden, dem sie die Perlenkette verkaufen konnte.
    Unweit des Marktplatzes entdeckte sie zu ihrer Freude in einer Ecke der Hauptstraße ein Juweliergeschäft. Sie wartete, bis der Inhaber das Schild an der Tür umdrehte, sodass statt GESCHLOSSEN jetzt GEÖFFNET zu lesen war – allerdings konnte sie trotzdem nicht eintreten, denn Feen brauchen für die Häuser von Menschen eine Einladung. Sie musste also durch das Fenster spähen und mit den Händen gestikulieren, bis der Mann herauskam und sie einließ.
    »Was kann ich für dich tun?« Er klang mürrisch und musterte sie, als gefalle ihm nicht, was er da sah. Doch Rhosmari wollte sich nicht einschüchtern lassen, denn er hatte keine Waffe und wirkte nicht so schnell oder stark, als könnte er ihr gefährlich werden.
    »Ich habe eine Perlenkette, die ich verkaufen möchte«, sagte sie.
    Sie legte die Perlen auf den Tresen und die Augenbrauen des Mannes schossen in die Höhe. Er nahm die Kette in seine großen, schwieligen Hände und untersuchte sie mit einer Lupe. Dann bleckte er die Zähne und zog die Perlen daran entlang. Zuletzt legte er sie mit geradezu ehrfürchtiger Sorgfalt wieder hin – und schüttelte den Kopf.
    »Du hast deinen Spaß gehabt«, sagte er kurz angebunden. »Und jetzt verschwinde. Mit Dieben mache ich keine Geschäfte.«
    Rhosmari

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