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Rhosmari - Retterin der Feen

Rhosmari - Retterin der Feen

Titel: Rhosmari - Retterin der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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nicht um Mitglieder der Wache des Ältestenrats oder sonst jemanden, den sie kannte. Das hätte Rhosmari eigentlich beruhigen müssen, aber sie verspürte trotzdem ein wachsendes Unbehagen. Timothy und Linde waren auf dem Weg zu den Grünen Inseln von einem Brüderpaar in Rabengestalt verfolgt worden, das der Kaiserin diente. Wenn es sich nun um dieselben Vögel handelte und sie Rhosmari ergreifen und zu ihrer Herrin bringen sollten?
    Doch nein, das war albern. Linde zufolge hatten nur ganz wenige Festlandsfeen überhaupt von den Kindern des Rhys gehört und noch weniger glaubten an ihre Existenz. Es gab keinen Grund, warum die beiden Schwarzen Flügel Corbin und Byrne sich ausgerechnet für Rhosmari interessieren oder sie verfolgen sollten.
    In diesem Augenblick flog ein kleinerer Vogel blitzschnell wie ein Geschoss über den Platz und die beiden Raben stürzten ihm unter wildem Flügelschlagen nach. Im nächsten Moment waren alle drei verschwunden und Rhosmari blieb allein zurück.
    Auf diesen Schrecken hin wollte sie nicht einmal mehr zum Essen in St. David’s bleiben und erst recht keine Handschuhe für ihre steif gefrorenen Hände kaufen. Stattdessen setzte sie sich in den nächsten Bus nach Haverfordwest.
    Zwischen Menschen eingezwängt und mit gerümpfter Nase wegen des scharfen, fleischigen Geruchs ihrer Nachbarn saß sie steif in der hintersten Reihe. Sie fuhren an der Küste entlang und durch die engen Gassen der Städtchen Solva und Newgale. Rhosmari vergaß ihr Unbehagen schon bald, denn mit jeder Meile und Kurve der Straße boten sich ihrem Blick neue, faszinierende Sehenswürdigkeiten. Dass die menschliche Welt so unangenehm, aber auch so schön sein konnte, versetzte sie in Erstaunen.
    Schließlich hielt der Bus am Bahnhof von Haverfordwest. Die Tür ging keuchend auf und die Fahrgäste stiegen aus. Die meisten eilten geradewegs in den Bahnhof, doch Rhosmari zögerte. Sie hatte im Unterricht zwar gelernt, dass es Züge gab, und auch ein wenig, wie sie funktionierten, aber keine Fee, die sie kannte, war je mit einem Zug gefahren.
    Doch war es für sie der schnellste Weg, ans Ziel zu gelangen. Sie folgte den letzten Fahrgästen nach drinnen, sah aufmerksam zu, wie sie ihre Fahrkarten lösten, tat es ihnen nach und betrat kurz darauf mit einer Fahrkarte in der Hand den Bahnsteig. Der Hunger war ihr vor lauter Aufregung vergangen, und als ihr aus einer nahen Bäckerei der Geruch nach Pasteten und Fleisch in die Nase stieg, wurde ihr übel und sie ging rasch in eine andere Richtung.
    Immer mehr Menschen versammelten sich auf dem Bahnsteig und Erwartung lag in der Luft. Der Mensch neben Rhosmari sah nicht wie die anderen das Gleis entlang, sondern zum Himmel. Ob es gleich regnete? Automatisch folgte sie seinem Blick – und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Zwei Raben flogen zielstrebig über die Plattform.
    Und kamen geradewegs auf Rhosmari zu.
    Sie durfte nicht in Panik geraten, sondern musste bleiben, wo sie war, und so tun, als habe sie nichts zu fürchten. Selbst wenn es sich um dieselben Raben handelte, denen sie in St. David’s begegnet war, wollten sie ihr vielleicht gar nichts Böses tun, sondern sie nur ein wenig genauer in Augenschein nehmen.
    Die Raben flogen tiefer und Rhosmari machte sich schon auf einen Zusammenstoß gefasst – da vollführten sie einen Schwenk und verschwanden über die Dächer. Hatte sie sich geirrt? Handelte es sich doch um ganz normale Vögel?
    Eine Hand umklammerte ihren Arm und riss sie zurück unter das überhängende Dach des Bahnhofs. Rhosmari schrie auf – doch nichts war zu hören. Jemand hatte sie mit einem Schweigezauber stumm gemacht, gegen den sie machtlos war.
    Ein magerer Körper presste sich an ihren Rücken und sie roch den scharfen Geruch nach Immergrün einer ihr unbekannten männlichen Fee. Die Lippen des Mannes bewegten sich an ihrem Ohr.
    »Hilf mir«, flüsterte er aufgeregt.
    Erschrocken drehte sich Rhosmari nach ihm um. Er war drahtig, nicht viel größer als sie, und hatte scharfe Gesichtszüge und blonde Haare, die ihm schräg über die Stirn fielen. Graue Schatten lagen unter seinen noch graueren Augen und seine Wangen sahen aus wie vor Hunger eingefallen.
    »Verstecke mich vor den Schwarzen Flügeln«, flehte er. »Ich gebe dir, was du willst, und tue alles, um dich dafür zu bezahlen, aber lass nicht zu, dass sie mich ergreifen. Bitte .«
    Rhosmari erstarrte zu Eis. Also dienten die Raben doch der Kaiserin. Aber waren sie nur hinter diesem

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