Rhosmari - Retterin der Feen
goldenen Netz bedeckte, und es roch würzig nach Erde und Holzrauch, gebratenem Fleisch, getrockneten Kräutern und … Feen.
»Rob und Linde müssen hier irgendwo sein«, sagte Timothy. »Sie sind mit einigen Rebellen zum Schutz der Eiche hiergeblieben, während wir anderen …«
»Du schon wieder!«, keifte eine Stimme aus einem Gang links von ihnen. Aus einer Tür trat eine stämmig gebaute Fee. In der Hand hielt sie ein Hackmesser. »Wer hat dich diesmal hereingelassen, Menschenjunge? Was braucht es denn noch, bis du kapierst, dass du hier nicht willkommen bist?«
»Einen Mehrheitsbeschluss vielleicht?«, sagte Timothy. »Aber bis dahin musst du dich einfach mit mir abfinden, Malve. Es sei denn, du willst das Messer gebrauchen, das du in der Hand hältst.«
»Geschähe dir nur recht, wenn ich es täte«, schimpfte Malve. »Schlimm genug, dass die Eiche voller bärtiger Fremder ist, dazu brauchen wir nicht auch noch Menschen. Und wer ist das?« Sie beäugte Rhosmari misstrauisch.
Rhosmari straffte sich und breitete ihre Schmetterlingsflügel aus. »Ich bin Rhosmari, Tochter der Celyn von den Kindern des Rhys«, sagte sie.
In Malves empörten Blick mischte sich Unsicherheit. »Aha«, sagte sie und senkte das Messer. »Dann gehst du besser nach oben zu Baldriana – aber den Menschen würde ich an deiner Stelle wieder nach draußen schicken, wo er hingehört.« Sie wies abschätzig mit dem Kinn auf Timothy. »Ich bin nicht die Einzige in der Eiche, die den Gestank der Menschen nicht riechen kann.«
»Für dich immer noch Königin Baldriana«, rief Timothy, aber da hatte Malve schon kehrtgemacht. Sie verschwand durch die Tür, durch die sie gekommen war, und knallte sie hinter sich zu.
»Stimmt das, was sie gesagt hat?«, fragte Rhosmari, während sie und Timothy die Wendeltreppe hinaufstiegen. »Ich dachte, die Eichenfeen seien immer mit Menschen befreundet gewesen.« Sie hatte sogar gehofft, die Eichenfeen könnten ihr helfen, ihr Misstrauen gegen die Menschen zu überwinden, doch das schien jetzt nicht mehr so wahrscheinlich.
»Das waren sie auch, bis Jasmin an die Macht kam«, erklärte Timothy. »Sie nahm ihnen die Zauberkraft weg und veränderte ihre Erinnerung, und ab da hatten die meisten eine solche Angst vor uns, dass sie uns nicht einmal ansehen wollten. Erst zweihundert Jahre später, als Klinge – ich meine Peri – Paul kennenlernte und sich in ihn verliebte, kam die Wahrheit allmählich heraus. Und selbst dann taten sich viele Eichenfeen noch schwer mit uns.«
»Und die Rebellen?«, fragte Rhosmari. »Sie denken doch bestimmt anders, sonst hätten sie sich nicht gegen die Kaiserin aufgelehnt.«
»Rob schon«, sagte Timothy. »Auch Lily, seine Stellvertreterin, achtet die Menschen, und die anderen folgen ihrem Beispiel. Aber die meisten haben trotzdem Vorbehalte, und selbst einige von Garans Leuten – von deinen Landsleuten – fühlen sich unbehaglich, wenn von Peri und Paul die Rede ist.«
»Aber das kann nicht stimmen«, erwiderte Rhosmari, die glaubte, sich verteidigen zu müssen. »Die Kinder des Rhys verachten die Menschen nicht. Warum sollten sie? Viele unserer Vorfahren wurden als Menschen geboren. Wir haben in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Matrosen gerettet, die Schiffbruch erlitten hatten, und einige sind bei uns geblieben …«
»Indem sie von Menschen zu Feen geworden sind, ja«, fiel Timothy ihr ins Wort. »Dagegen hat niemand etwas. Aber die Eichenfeen haben früher das Gegenteil gemacht – sie schickten Feen zu den Menschen, die Jahre oder Jahrzehnte dort leben sollten. Einige heirateten sogar Menschen und gebaren menschliche Kinder. Darüber spricht man höchst ungern.«
Er sah Rhosmari an und hielt sich am Treppengeländer fest. »Mal ganz ehrlich, Rhosmari. Als Linde damals den Ältesten erzählt hat, Klinge sei ein Mensch geworden und bei Paul geblieben, warst du da nicht auch schockiert?«
Natürlich war sie zunächst schockiert gewesen. Sie hatte bis dahin gar nicht gewusst, dass Feen sich überhaupt in Menschen verlieben konnten. Da es unter den Feen der Grünen Inseln genug Männer und Frauen gab, hatten die Kinder des Rhys sich nie anderswo nach Partnern umsehen müssen. Und für Rhosmari, die das Festland nie besucht hatte, waren die Menschen ferne Wesen, unberührbar wie Engel.
Doch dann war Timothy vorgetreten und hatte mit beschwörender Stimme auf die Ältesten eingeredet. Fasziniert hatte sie seine schwarzen Haare betrachtet und das warme
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