Rhosmari - Retterin der Feen
nicht einmal, auf was ich achten soll«, brummte er. »Die Armee der Kaiserin wird ja nicht gerade in Kampfformation über unser Haus fliegen, damit wir auch ja merken, dass sie da sind.«
Rhosmari schluckte wieder, grub die Finger in die Bettdecke und sah sich nach einer Ablenkung um, egal was, nur um nicht mehr an Peris Worte denken zu müssen. Ihr Blick fiel auf ein gerahmtes Bild auf Timothys Nachtkästchen. Sie nahm es in die Hand und betrachtete es genauer.
Es zeigte eine Gruppe von Menschen, die unter einem exotisch aussehenden Baum standen. Ein hochgewachsener Mann lehnte gegen den Stamm. Auf seinem gebräunten Gesicht lag ein humorvolles Lächeln. Den Arm hatte er um die Hüften einer ebenfalls lächelnden Frau gelegt, die Hand ruhte auf der Schulter eines kleinen Mädchens. Das mussten Timothys Eltern und seine Schwester Lydia sein. Daneben stand eine junge Frau, die vielleicht zwei Jahre älter als Rhosmari war. Sie hatte die Haare zu einer Masse schwarz glänzender Zöpfe geflochten und ihre Haut leuchtete in einem noch tieferen Braun als die von Lady Celyn.
»Wer ist das?«, fragte Rhosmari und hielt das Foto hoch. »Das Mädchen?«
Timothy senkte das Fernglas. »Ach so, das ist Miriam. Miriam Sewanaku, unsere Nachbarin in Uganda.«
Rhosmari betrachtete wieder das Bild. »Sie ist schön.«
»Ja«, sagte Timothy und wandte sich wieder zum Fenster. Leise fügte er hinzu: »Aber nicht so schön wie du.«
Rhosmari erstarrte. Waren diese Worte für sie bestimmt gewesen?
»Er hält dich außerdem für klug und in jeder Beziehung toll«, sagte Paul hinter ihnen und rollte in die Tür. »Wir können es fast schon nicht mehr hören.« Er klang scherzhaft, aber sein Gesicht war angespannt. »Tut mir leid, wenn ich störe, aber wir haben gerade eine Nachricht von der Eiche bekommen. Es ist wieder eine Fee verschwunden.«
»Du meinst Malve?«, fragte Rhosmari. »Die war schon weg, als ich …«
Doch Paul unterbrach sie mit einem Kopfschütteln. »Nicht Malve«, sagte er. »Hasenglöckchen.«
»Gut, dass die Eichenfeen noch nicht bemerkt hatten, dass du auch fehlst, Rhosmari, sonst wären sie in Panik geraten«, rief Peri, die ihnen im Flur entgegenkam. »Hasenglöckchen zu verlieren ist schlimm genug, aber dich zu verlieren wäre eine Katastrophe gewesen. Ich sagte Dorna, du seist bei uns sicher, aber wir bringen dich am besten gleich zurück.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Timothy, während sie die Treppe hinunterstiegen. »Wie kann Hasenglöckchen einfach so verschwinden? Sie hat die Eichenwelt doch noch nie verlassen. Wohin sollte sie gehen?«
»Dorna glaubt, sie ist Malve suchen gegangen«, erwiderte Peri. Sie ging den anderen voraus den Flur entlang, der zum rückwärtigen Teil des Hauses führte, und weiter durch das Wohnzimmer bis zur gegenüberliegenden Ecke. Dort hob sie den Teppich an. Darunter kam ein in den Boden eingelassener Messingring zum Vorschein. »Vielleicht um ihr ins Gewissen zu reden oder um sich ihr anzuschließen, wir wissen es nicht. Der Zeitpunkt hätte jedenfalls nicht schlechter gewählt sein können. Wahrscheinlich werden beide der Kaiserin in die Hände laufen. Vielleicht hat die Kaiserin sie ja schon geschnappt.« Peri zog an dem Ring und ein viereckiges Stück des Dielenbodens hob sich heraus, von dem einige Schaumstoffkrümel abfielen.
»Was ist das?«, fragte Rhosmari.
»Der Weg nach draußen«, antwortete Peri. »Wir haben ihn für Linde angelegt, als sie noch klein war, damit sie uns jederzeit besuchen konnte, ohne vor den Krähen fliehen zu müssen. Mach dich klein und krieche durch diese Röhre. Durch sie gelangst du zu einem Geheimgang, der unter der Hecke zur Eiche führt.«
Krieche durch diese Röhre. Ein schwarzes Loch, kaum breiter als die Hand eines Menschen, und darüber Wurzeln und nasse Erde. »Nein, ist nicht nötig«, sagte Rhosmari schwach. »Ich springe lieber zurück …«
»Das geht nicht«, entgegnete Peri. »Nach Hasenglöckchens Verschwinden hat Königin Baldriana die Eiche so von außen abgeriegelt, dass man sie auch mit Zauberei weder betreten noch verlassen kann. Du müsstest durch den Garten gehen, und das erlaube ich nicht. Die Kaiserin und all ihre Leute könnten dich sehen. Es wäre zu riskant.«
»Ist das nicht ein wenig übertrieben?«, fragte Timothy. »Wir wissen doch gar nicht, ob sie überhaupt hier ist.«
»Ich weiß es.« Peri machte ein grimmiges Gesicht. »Ich kann es nur noch nicht beweisen.«
»Jagdinstinkt?«,
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