Rhosmari - Retterin der Feen
fragte Timothy ein wenig zweifelnd.
»Etwas in der Art. Im Wald sind zu viele Schatten. Und der Wind riecht anders. Wenn man sich an einem Ort auskennt, weiß man, was normal ist und was nicht – und ich kenne die Eichenwelt so gut wie niemand sonst. Glaub mir, unsere Gegner sind da.«
Rhosmari fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und presste die Hände aneinander. Sie konnte den Blick nicht von dem runden Loch im Boden abwenden. Gruffydds Weg zu betreten war ihr schon schwergefallen, aber das hier – unmöglich.
Andererseits hatte sie Königin Baldriana versprochen, die Schlacht in einer Wissenskapsel aufzuzeichnen, und Pechnelke, Linde und Winka warteten auf sie. Und wenn sie sich nicht von Garan und den anderen verabschiedete, konnte sie das vielleicht nie wieder nachholen.
Timothy berührte sie an der Schulter. »Alles in Ordnung? Du siehst irgendwie … grün im Gesicht aus.«
»Ich habe eine Abneigung gegen enge, dunkle Orte«, gestand Rhosmari mit einem nervösen Lachen. »Ich brauche einen Moment, um … mich darauf vorzubereiten.«
»Würde es dir helfen, wenn ich dich begleite?«, fragte Timothy.
»Nein«, sagte Peri sofort scharf, »das wirst du nicht.«
Doch Timothy war bereits in die Küche gegangen und holte eine Taschenlampe. »Warum nicht? Kaum jemand weiß, dass es diesen Tunnel überhaupt gibt, geschweige denn, dass er bis zum Haus führt. Ich bin dort unten wahrscheinlich sicherer als hier oben.« Er zog den hölzernen Anhänger aus der Hosentasche und hängte ihn sich um den Hals.
Doch nichts geschah. Die verschiedensten Gefühle zogen wie Wolken über Timothys Gesicht: Verwirrung, Besorgnis und zuletzt Resignation. Er wollte das Medaillon abnehmen, aber Rhosmari hielt seine Hand fest. »Warte«, sagte sie.
Vielleicht lag es an ihrer Zauberkraft oder einfach an ihrem verzweifelten Wunsch, nicht allein in dieses dunkle Loch steigen zu müssen. Jedenfalls entfaltete der Anhänger seine Wirkung im selben Moment, in dem sie Timothy berührte, und zwar für sie beide.
Die Möbel um sie wuchsen riesenhaft in die Höhe, Peri ragte über ihnen auf wie eine zornige Göttin.
»Na gut«, sagte sie. »Aber sobald Rhosmari wohlbehalten in der Eiche angekommen ist, kommst du augenblicklich hierher zurück, Timothy, verstanden?«
Timothy schaltete die Taschenlampe ein und hob sie grüßend. Dann legte er sich auf den Bauch und kroch mit dem Kopf voraus in das Loch im Boden. »Kriech hinter mir her«, rief er zu Rhosmari zurück. »Es ist nicht weit – ich sehe von hier schon das andere Ende. Glaube ich zumindest.«
Peri kniete sich hin und beugte sich über Rhosmari. »Es ist nicht schlimm, Angst zu haben«, sagte sie leise. »Man darf sich dadurch nur nicht von dem abhalten lassen, was man tun muss.«
Rhosmari nickte widerstrebend. Dann ließ sie sich auf Hände und Knie hinunter und zwängte sich hinter Timothy in den Tunnel.
Die Röhre fühlte sich an ihren Händen kalt und glatt an und war feucht von Kondenswasser. Im schwankenden Strahl von Timothys Taschenlampe sah Rhosmari, dass sie aus einem grauen Material bestand, welches das Licht matt reflektierte. Doch Timothys Kopf und Schultern ragten wie eine schwarze Mauer vor ihr auf und sie musste ein Wimmern unterdrücken. Er kroch so schnell vorwärts, dass sie mit ihren zitternden Armen und Beinen nicht nachkam. Sie fiel zurück und es wurde immer dunkler um sie.
Ihr Rock blieb an etwas hängen und sie musste anhalten. Sie wollte sich befreien, aber ihre Glieder bebten jetzt vor Panik und die Muskeln wollten ihr nicht gehorchen.
Timothy blieb stehen. »Rhosmari?«
»Ich hänge fest. Ich kann mich nicht … Etwas hält mich fest. Ich kann mich nicht bewegen.«
»Warte, ich kehre um und sehe nach.« Es folgte ein Scharren und Kratzen und der Strahl der Taschenlampe schwankte wie wild. Dann beruhigte er sich wieder. »Okay, vielleicht kann ich mich nicht umdrehen.« Timothy überlegte kurz. »Also gut. Bleib, wo du bist, und versuche dich zu entspannen, während ich weiterkrieche. Irgendwann muss die Röhre auf den Tunnel unter der Hecke stoßen, und vielleicht kann ich mich dort umdrehen.«
»Lass mich nicht allein.« Rhosmaris Stimme klang fremd und heiser vor Verzweiflung. »Timothy …«
»Ich gebe dir die Taschenlampe, dann kannst du mir nachsehen. Ich krieche jetzt ein bisschen zurück – so, und gebe dir die Taschenlampe. Kommst du dran?«
Rhosmaris Finger kratzten über die Sohlen von Timothys Schuhen. Sie streckte den
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