Rhosmari - Retterin der Feen
hatte überall um das Haus Eisenstücke verteilt. Vor jeder Schwelle lag eine Eisenstange, in den Fensterrahmen und -brettern steckten Nägel. Um einen Angriff der Kaiserin auf Oakhaven zu verhindern, hatte Peri das Haus in eine Festung verwandelt, der sich keine Fee, Rhosmari eingeschlossen, freiwillig näherte. Und als Timothy etwas rief und aufsprang und ihr zu Hilfe eilte, spürte sie die betäubende Wirkung des eisernen Anhängers unter seinem Hemd. Sie zuckte zusammen und wich vor ihm zurück.
»Entschuldigung«, sagte Timothy, nahm den Anhänger ab und stopfte ihn in die Hosentasche. »Wir haben von Dorna erfahren, was du über die Kaiserin herausgefunden hast, und Peri meinte, wir sollten auf alles vorbereitet sein. Wir haben nicht damit gerechnet, dich heute noch einmal zu sehen.«
»Natürlich nicht.« Rhosmari atmete ganz langsam, um ihr Schwindelgefühl zu überwinden. »Ich … ich wollte nur noch einmal mit dir und den anderen reden, bevor es losgeht.«
»Das sollten wir wahrscheinlich nicht hier tun«, sagte Timothy mit einem wachsamen Blick zum Himmel. Er griff unter die Schwelle der Glastür, zog einen eisernen Schürhaken heraus und legte ihn beiseite. »Glaubst du, dir ist besser, wenn du nach drinnen gehst?«
»Ich … ich weiß nicht.« Rhosmari nahm ihren ganzen Mut zusammen und trat über die Schwelle – und augenblicklich war das Schwindelgefühl verschwunden. Das Eisen sollte feindliche Feen fernhalten, aber sie war ins Haus eingeladen worden, und drinnen war die Wirkung viel weniger unangenehm.
»Gut«, sagte Timothy. »Ich hole nur eben meine Gitarre und lege den Schürhaken wieder hin, dann suchen wir Peri.«
SECHZEHN
Sie fanden Peri im oberen Schlafzimmer. Sie spähte gerade mit einem uralten Fernglas zwischen den halb zugezogenen Vorhängen hindurch. Der Stapel Schulbücher auf dem Nachtkästchen und der Haufen Schmutzwäsche in der Ecke verrieten, dass das Zimmer sonst Timothy gehörte. Jetzt lagen auf dem Bett allerdings alle möglichen Landkarten und handgeschriebene Tabellen, und an der Wand lehnte ein furchterregendes Sortiment von Waffen, darunter eine Armbrust und ein langes Jagdmesser.
»Schon etwas gesehen?«, fragte Timothy und trat mit Rhosmari ein.
Peri senkte das Fernglas und schnaubte ungeduldig. »Schwer zu sagen. Wenn sie mit ihrer Armee angreift, tut sie, was ich auch tun würde: nämlich tief fliegen und den Wald als Deckung benützen. Im Wald verstecken sich womöglich schon hundert Feen, aber solange sie nicht in den Abwehrzauber hineinlaufen, werden wir es nicht wissen.«
»Aber du hast vorhin die Schwarzen Flügel gesehen, ja?«
»Ich habe zwei Raben gesehen«, erwiderte Peri. »Aber sie kamen mit über einer Stunde Abstand. Es könnte auch ein Zufall sein – ach, hallo, Rhosmari.« Sie schob die Karten vom Bett herunter, damit Rhosmari sich setzen konnte. »Was führt dich her? Ich dachte, du hättest in der Eiche zu tun.«
»Die anderen schlafen«, sagte Rhosmari, »oder versuchen es zumindest. Ich konnte es nicht.« Verlegen setzte sie sich auf die Bettkante. Im nächsten Augenblick ließ Timothy sich auf der anderen Seite rückwärts auf das Bett fallen. Die Matratze federte und hätte Rhosmari fast abgeworfen.
»Setz dich richtig hin, du Flegel«, sagte Peri und warf ein Kissen nach ihm. Timothy fing es auf und schob es sich unter den Kopf. Peri verdrehte die Augen und wandte sich wieder Rhosmari zu. »Ich glaube nicht, dass die anderen schlafen können. Aber du bist hier willkommen und kannst bleiben, so lange du willst. Wenn die Kaiserin kommt, bist du hier vielleicht sogar sicherer.«
»Nein, ich muss zurück«, erwiderte Rhosmari. »Ich habe Königin Baldriana versprochen, eine Wissenskapsel von den Kämpfen herzustellen.« Daraufhin musste sie natürlich erklären, was das war. Beide Menschen waren davon fasziniert, vor allem Peri.
»Wenn wir das gekonnt hätten, als Jasmin die Spaltung durchführte, wäre es ihr nie gelungen, die Vergangenheit in unserer Erinnerung auszulöschen. Hoffentlich brauchen wir deine Wissenskapsel nicht, um uns daran zu erinnern, was passiert ist, aber es ist gut zu wissen, dass es sie gibt, falls wir sie doch brauchen.«
Sie sprach so selbstverständlich von wir und unser, als sei sie immer noch eine Eichenfee. Und dabei fiel Rhosmari etwas ein, das sie Peri schon lange hatte fragen wollen. »Warum hast du dich damals eigentlich dafür entschieden, zu einem Menschen zu werden, Peri? Gut, ich weiß, dass ihr
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