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Rhosmari - Retterin der Feen

Rhosmari - Retterin der Feen

Titel: Rhosmari - Retterin der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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die Kaiserin fort. »Aber wenn du in dem Beutel an deinem Gürtel nachsiehst, wirst du dort nur einen ganz gewöhnlichen Stein finden. Du hast wohl geglaubt, es könnte nichts passieren, als du dich heute Nachmittag zum Schlafen hingelegt hast. Aber du hast vergessen, dass Hasenglöckchen einen Schlüssel zu allen Türen der Eiche besitzt – und außerdem deine Erinnerung daran gelöscht hat, wie sie dir den Stein weggenommen hat.«
    Hasenglöckchen … Rhosmari hielt sich mühsam an ihrem Ast fest. Dabei hatten sie die ganze Zeit Malve als Verräterin verdächtigt, die sie der Kaiserin ausliefern wollte. Hatten sie sich wirklich so sehr getäuscht?
    »Wie hätte Hasenglöckchen der Kaiserin denn überhaupt helfen sollen?«, fragte Winka ungläubig. »Wo wäre sie ihr begegnet? Sie hat die Eiche doch nie verlassen.«
    »Doch, das hat sie«, erwiderte Pechnelke dumpf. »Erinnerst du dich an die drei Tage nach der Krönung Königin Baldrianas, als wir alle glaubten, Hasenglöckchen schmolle in ihrem …«
    Sie sprach den Satz nicht zu Ende, denn die Kaiserin hob den Stein mit Zeigefinger und Daumen in die Höhe, wie um ihn zu begutachten. »So ein kleiner Stein«, überlegte sie laut. »Ob man ihn wohl zerdrücken kann?« Sie ließ ihn mit einer ruckartigen Bewegung wieder in ihre Hand fallen und schloss die Finger darum. Zwischen den Fingern schossen Lichtblitze hervor und Rhosmari hörte sogar von ihrem Platz hoch in der Krone der Eiche das schreckliche Knacken, mit dem der Stein zerbrach.
    »Nein!«, schrie Garan und sprang vor – doch in dem Moment, in dem er das Bild der Kaiserin berührte, explodierte ein gleißender Blitz und durchbohrte ihn. Schreckensstarr sah Rhosmari, wie er zurücktaumelte, den Mund zu einem stummen Schrei aufgerissen. Er fiel rückwärts ins Gras und das Licht um ihn erlosch, während die Kaiserin sich die Krümel des Kiesels von den Händen strich.
    Rhosmaris Beine gaben unter ihr nach. Sie spürte nicht mehr, wie ihre Knie auf der Rinde aufschlugen und ihr die Wissenskapsel aus der Hand fiel. Jemand fing sie auf und half ihr, wieder aufzustehen. Sie wusste nicht, wer es war, und es kümmerte sie auch nicht. Die Welt war zu einem schwarzen Tunnel mit der Kaiserin am einen und ihr selbst am anderen Ende geschrumpft. Garan lag tot zwischen ihnen.
    Hitze stieg in ihr auf und erfüllte sie wie eine kochende Flut. Ihre Muskeln wurden zu Stahl, ihr Herz zu einem Hochofen. Mit einem Ruck riss sie sich das Seil von den Hüften, schüttelte die Hände ab, die sie hielten, und sprang über den Rand des Astes.
    Mit ausgebreiteten Flügeln landete sie auf einem Vorsprung unmittelbar vor dem Fenster des königlichen Audienzzimmers. Baldriana saß bewegungslos auf ihrem Thron und hielt die Armlehnen mit den Händen umklammert. Die Wände des Zimmers hatten Risse und Staub lag in der Luft, doch die Königin starrte unverwandt geradeaus wie im Bann einer unheilvollen Vision, die nur sie allein sehen konnte.
    »Stimmt es denn?«, fragte sie, als Rhosmari ins Zimmer kletterte. »Ist er tot?«
    »Ja.«
    Die Königin schloss die Augen. »Möge die Gärtnerin für dich sorgen, Garan, Sohn des Gwylan«, flüsterte sie. »Mögest du in fruchtbaren, gut gewässerten Boden gepflanzt werden, aus dem du nie mehr herausgerissen wirst.«
    Rhosmari hörte ihr nicht zu. Sie drängte an einer Schar schluchzender Eichenfeen vorbei – den Feen, die bei der Königin geblieben waren, um die Eiche durch ihren Zauber zu schützen, was aber angesichts von Jasmins Kraft vergeblich gewesen war –, trat in den Gang hinaus und ging in Richtung Treppe.
    Am Ende des Gangs hing noch der Vorhang, der das Licht vom Treppenabsatz aussperrte. Rhosmari zog ihn zur Seite, machte entschlossen zwei weitere Schritte – und fuhr zurück und hielt sich am Geländer fest. Ihr Fuß hing in der Luft.
    Die Treppe war verschwunden.
    »Rhosmari!«, hörte sie Linde hinter sich rufen. »Warte!« Linde eilte durch den Vorhang und Rhosmari musste sie am Arm festhalten, damit sie nicht in den Abgrund stürzte.
    »Was – oh!« Fassungslos starrte Linde auf den Trümmerhaufen tief unter ihnen. »Nein.«
    »Wir können es nicht ändern«, sagte Rhosmari. Sie wusste, dass sie barsch klang, aber sie konnte jetzt kein Mitgefühl zulassen. »Was willst du?«
    »Rob hat mit der Kaiserin einen Waffenstillstand ausgehandelt«, sagte Linde. »Für eine Stunde. Damit wir unsere Verwundeten versorgen und über ihr Angebot beraten können.«
    Nur eine Stunde.

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