Richard Castle
sie nicht trotzdem eine Affäre mit diesem …“ er deutete auf die Schachtel, auf die Nikki gerade den Deckel gelegt hatte, „schicken Agenten namens Wynn hatte. Vielleicht war er der Grund, aus dem sie das überhaupt machte.“ Darauf fiel ihr keine Erwiderung ein, also entschied sie, dass es am besten war, einfach zu nicken und es ihm zu überlassen, seine Wut auf seine Weise zu verarbeiten. Die Neuigkeit über die CIA-Verbindung ihrer Mutter war nicht der heilsame Balsam gewesen, den sie sich erhofft hatte. Ein Teil dessen, was er sagte, ergab Sinn, dass musste sie zugeben. Spionagetätigkeiten und eine Affäre schlossen sich nicht gegenseitig aus. In ihrer eigenen Erleichterung – und vielleicht auch in einem Anfall von Wunschdenken – hatte Nikki gar nicht darüber nachgedacht, es zu hinterfragen, so wie ihr Dad es tat. Vielleicht lag es daran, dass sie unterschiedliche Ziele verfolgten. Sie wollte Cindy Heat von jeglicher Schuld freisprechen, er wollte die Ungerechtigkeit, die er erfahren hatte, bestärken.
Rook hatte sich bemüht, sich aus der Sache herauszuhalten, aber nun meldete er sich zu Wort, um ihr dabei zu helfen, das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zurückzulenken. „Nikki, ging es bei dem, was sie möglicherweise verbarg, nicht eher um einen Gegenstand?“
„Das ist richtig. Dad? Hast du je gesehen, wie Mom versuchte, einen Gegenstand zu verstecken, oder hast du mal etwas gefunden, das du dir nicht erklären konntest?“
„Was denn zum Beispiel?“
„Ich bin nicht sicher. Es könnte ein Schlüssel sein, eine Videokassette, eine Blaupause, ein Umschlag. Tatsache ist, dass ich es nicht weiß. Aber bist du je über etwas gestolpert, bei dem du dachtest: Was zum Teufel ist das?“
Sie hörte, wie er scharf einatmete, und seine Augen nahmen den gleichen beschämten Ausdruck an wie vor ein paar Tagen, als er zugab, dass er einen Privatdetektiv engagiert hatte, um seiner Frau zu folgen. Ihr Vater entschuldigte sich und kehrte dann nach fünf langen Minuten, in denen das Öffnen und Schließen von Schubladen und Schranktüren zu hören war, aus seinem Schlafzimmer zurück. „Das hier hat mich dazu gebracht, Joe Flynn anzuheuern.“
„Joe Flynn?“, wiederholte Rook. „War er der Privatdetektiv?“
Jeff Heat nickte und reichte Nikki einen kleinen Samtbeutel. Als sie ihn entgegennahm, verspürte sie das Klopfen in der Brust, das sie immer dann empfand, wenn in einen scheinbar aussichtslosen Fall plötzlich Bewegung kam. Rook wirkte ebenfalls aufgeregt. Er rutschte auf seinem Lehnstuhl ein Stück vor und sah genau zu, während sie den Beutel öffnete. „Es ist ein Bettelarmband“, sagte sie, als sie es aus dem Beutel auf ihre Handfläche gleiten ließ. Rook stand auf und stellte sich neben ihren Vater, um bessere Sicht zu haben. Es war ein einfaches Stück, nicht besonders teuer. Es handelte sich um eine vergoldete Kette mit nur zwei Anhängern daran: die Ziffern eins und neun. „Von wem stammt es?“, fragte sie.
„Das habe ich nie erfahren.“
„Hat Mom es dir nicht erzählt?“
„Ich, äh, habe ihr nie verraten, dass ich es gefunden habe. Ich habe mich zu sehr geschämt. Und sie hat nie danach gefragt. Als der Privatdetektiv berichtete, dass sie keine Affäre hatte, beschloss ich, das Schicksal nicht herauszufordern, verstehst du?“
„Ja, natürlich.“ Heat drehte die Ziffern herum, um sie genauer zu untersuchen, doch sie konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. „Hast du etwas dagegen, wenn ich es behalte?“
„Nimm es ruhig.“ Und dann schwenkte er seine Hand wie einen Besen in ihre Richtung. „Nimm es einfach mit.“ Nikki betrachtete ihren Vater und sah nicht mehr sein Alter, sondern den Tribut, den die Geheimnisse von ihm gefordert hatten. Dann fragte sie sich, wie das Gesicht ihrer Mutter wohl aussehen würde, wenn sie noch am Leben wäre.
„Oh, Moment, da wäre noch eine Sache, bevor wir gehen.“ Nikki näherte sich dem heiklen Thema auf lockere Weise und versuchte zu ignorieren, wie sehr sie sich durch ihr doppeltes Spiel wie ihre Mutter vorkam. Doch die schwierige Frage musste gestellt werden, vor allem nachdem der Russe es in der Nacht im Bois des Vincennes so ausdrücklich betont hatte. „Du hast doch sicher Aufzeichnungen über all deine Bankdaten, oder?“
„Ja …“ Obwohl ihn sein finanzieller Hintergrund zu einem regelrechten Datensammler machte, schwang in Jeff Heats Antwort eine Ungewissheit mit, die in etwa so direkt war wie ihre
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