Richard Castle
und der Spurensicherung ihre Arbeit beendet und Jerzy eine Sperrholzplatte über das Loch in der Tür geschraubt hatte, war Heat nicht in der Lage gewesen zu schlafen. Also duschte sie und ließ sich von dem Streifenwagen, den der Leiter des 13. Reviers aus Gefälligkeit vor ihrem Wohnhaus postiert hatte, nach Uptown zum 20. Revier bringen.
Die Mordfallbretter sahen noch genauso aus wie am Abend zuvor, als Heat den Raum verlassen hatte. Allerdings hatte sie nun noch einen weiteren Bereich für einen dritten Mord hinzugefügt: Dons. Es kostete Heat enorme emotionale Kraft, den Schmerz, den sein Tod verursachte, für den Moment beiseitezuschieben, damit sie sich darauf konzentrieren konnte, den Mord aufzuklären. Mit dem grünen Stift zeichnete sie einen abgetrennten Kasten, um Dons Bereich von den anderen abzugrenzen. Unter seinem Namen und dem Zeitpunkt des Todes folgten die Punkte: „Gewehr“, „Unbekannter männlicher Schütze“ mit einer groben Beschreibung von Größe und Gewicht, „Flucht im Taxi“, und die Worte, die sie jedes Mal nur äußerst ungern schrieb: „Auf freiem Fuß“.
Die Beweise deuteten auf keine Verbindung zwischen dem Mord an Don und den anderen beiden Fällen hin. Doch gesunder Menschenverstand legte die Möglichkeit einer Verbindung sehr wohl nahe. Aus diesem Grund hatte sie Don dort neben ihre Mutter und Nicole Bernardin geschrieben. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, Zufällen zu misstrauen. Sie wusste, dass sie das Ziel gewesen und der Angriff erst dann erfolgt war, nachdem sie angefangen hatte, die anderen beiden Morde zu untersuchen. Das beantwortete eine der Fragen, die immer noch dort oben auf den Tafeln standen: „Warum jetzt?“ Die wichtigere Frage, die noch zu klären blieb, ging der zweiten voraus: „Warum?“
Und das würde zu „Wer?“ führen. Zumindest hoffte sie das.
Nikki hörte das Rumpeln der U-Bahn, aber in der Nähe fuhr gar keine Linie. Die Jalousien klapperten gegen die metallenen Fensterrahmen und die Leuchtstoffröhren an der Decke schaukelten leicht hin und her. Sie hörte, wie eine Aushilfssekretärin im Flur „Ohh!“ rief, und jemand anders erwiderte: „Nachbeben!“ Nikki beobachtete, wie sich die Jalousien beruhigten, wandte sich wieder den Mordfallbrettern zu und wünschte sich, dass das Minierdbeben irgendwie etwas losgeschüttelt hätte.
Dieses geduldige Warten vor dem Mordfallbrett, während sie darauf hoffte, dass die weiße Tafel eine Lösung oder zumindest eine Verbindung enthüllen würde, machte sich normalerweise bezahlt. Das hatte nichts Metaphysisches an sich, es gab weder Räucherstäbchen noch Beschwörungsformeln. Und es war auch nicht so, als würde man mit einem Ouijabrett herumspielen. Die Übung war einfach eine Methode, ihren Geist zu beruhigen und die Puzzlestücke zu betrachten, damit ihr Unterbewusstsein sie zusammenfügen konnte. Und tatsächlich versuchte etwas dort oben mit Nikki zu sprechen, aber es entzog sich ihr. Was übersah sie? Heat fing an, sich die Schuld dafür zu geben, dass sie keinen ruhigen Geist hatte, doch dann hörte sie sofort wieder damit auf. „Keine Selbstvorwürfe“, flüsterte sie. Wenn Nikki Heat einen Verbündeten hatte, auf den sie sich verlassen und den sie positiv behandeln musste, dann war das sie selbst.
Heat durfte ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren, selbst inmitten eines Sturms.
Das war das Schöne an der Schutzmauer, die Rook so gern verspottete. Er hatte über ihre Fähigkeit gemeckert, die Dinge voneinander zu trennen, obwohl doch genau diese Fähigkeit das war, was sie so erfolgreich darin machte, Fälle in Rekordzeit aufzuklären. Sie versuchte, Rook aus ihren Gedanken zu verbannen. Momentan konnte sie eine solche Ablenkung einfach nicht gebrauchen.
Willst du wissen, wie eine richtige Schutzmauer aussieht, Mr. Rook? Dann sieh dir mal die hier an
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Ihre Einsamkeit wurde von ihrem loyalen Team unterbrochen. Detective Feller tauchte anderthalb Stunden zu früh auf, kurz nach Raley und Ochoa, von denen sie sich heute Morgen um zwei in ihrer Wohnung verabschiedet hatte. Randall Feller hatte bereits seine Kumpel bei der Taxi-Einheit des NYPD aufgefordert, besonders wachsam zu sein und nach dem vermissten Taxi mit dem Blechschaden an der Vorderseite und den zwei Einschusslöchern in der Windschutzscheibe Ausschau zu halten. Bisher war es allerdings nicht gesichtet worden. Roach überprüften, ob bereits Benachrichtigungen aus den Notaufnahmen der Krankenhäuser, Arztpraxen und
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