Richard Castle
auf ihre Arbeit konzentriert und gestattete es sich nur sehr selten, einfach mal Spaß zu haben.“ Sie hielt inne. „Ich sehe, dass Ihnen das ein wenig unangenehm ist, aber das muss es nicht sein. Schließlich sprechen wir hier von Ihrer Mutter und nicht von Ihnen.“
„Obwohl sie es sein könnte, die dort gerade vor uns sitzt“, fügte Emile hinzu, wodurch sich Nikki nur noch unwohler fühlte, bis Rook Gott sei Dank in die Bresche sprang und seine einzelne Socke zur Sprache brachte.
„Genau das erscheint mir so seltsam“, begann er. „Cynthia – Cindy – hatte so großen Antrieb und Ehrgeiz und wollte unbedingt Erfolg als Konzertpianistin haben. Ich habe sie auf einer Videoaufnahme spielen sehen. Sie war erstaunlich.“
„Ja“, sagten die älteren Leute beide.
Rook hob ratlos die Hände. „Was ist passiert? Irgendetwas veränderte sich, als sie im Sommer 1971 hierher kam. Etwas Bedeutendes. Nikkis Mutter gab vielleicht nicht das Klavierspielen auf, aber sie gab scheinbar ihren Traum auf. Sie hatte zu Hause in den Staaten Karrieremöglichkeiten, doch sie machte sich nicht die Mühe, zurückzukehren und sie wahrzunehmen. Ich frage mich nur, was solch eine ernsthafte junge Frau vom Kurs abbringen konnte.“
Nachdem sie einen Moment lang darüber nachgedacht hatte, sagte Lysette: „Nun, ich habe den Eindruck – und Sie werden mir sicher beipflichten –, dass sich junge Menschen gelegentlich verändern. Manche halten dem Druck, den die Verfolgung eines Ziels mit sich bringt, einfach nicht stand. Darin liegt keine Schande.“
„Natürlich nicht“, sagte Rook, „aber bei allem Respekt, Paris ist eine wundervolle Stadt, doch wie konnte sie alles hinschmeißen, nachdem sie hier nur drei Wochen Urlaub gemacht hatte?“
Lysette wandte sich mit ihrer Antwort an Nikki. „Ich würde es nicht so ausdrücken, dass Ihre Mutter alles hinschmiss. Es war eher so, dass sie eine Auszeit von dem Druck nahm, unter den sie sich selbst setzte, und das Leben einfach mal genoss. Sie reiste herum, und besuchte natürlich auch Museen. Sie liebte es, neue Kochrezepte auszuprobieren. Ich brachte ihr bei, wie man Cassoulet mit Enten-Confit macht.“
„Das hat sie manchmal für mich gekocht!“, sagte Nikki.
„Dann verraten Sie mir doch mal, wie meine Kochkünste bei Ihnen ankamen“, erwiderte Lysette kichernd.
„Ich würde Ihnen drei Michelinsterne geben. Ihr Cassoulet war immer unser Gericht für besondere Anlässe.“ Lysette klatschte freudig in die Hände, doch Nikki konnte sehen, dass das alte Paar langsam müde wurde, und sie musste ihnen noch ein paar grundlegende Fragen stellen, bevor sie zu erschöpft dafür waren. Es waren dieselben Fragen, die sie den Eltern jedes Mordopfers stellen würde, dessen Fall sie bearbeitete. „Ich werde nicht mehr viel mehr Ihrer Zeit in Anspruch nehmen, aber es gibt noch ein paar Einzelheiten, die ich gerne über Nicole wissen würde.“
„Natürlich, Sie sind eine Tochter, aber auch eine Polizistin,
n’estce pas
?“, sagte Emile. „Bitte, wenn es Ihnen dabei hilft, herauszufinden, was mit
cher
Nicole passiert ist …“ Er musste schlucken, und das Paar fasste sich wieder an den Händen.
Detective Heat begann mit Nicole Bernardins Arbeit. Sie fragte, ob es auf beruflicher Ebene möglicherweise böses Blut gegeben habe, wie zum Beispiel Rivalitäten oder Geldprobleme. Sie verneinten die Frage, genau wie die nächste, als Nikki wissen wollte, ob sie von irgendwelchen schwierigen Beziehungen in ihrem Privatleben gehört hatten, ob nun in Paris oder in New York: Liebhaber, Freunde, eifersüchtige Personen aus Dreiecksbeziehungen? „Welchen Eindruck machte sie auf Sie, als Sie das letzte Mal mit ihr sprachen?“
Monsieur Bernardin sah seine Frau an und sagte: „Erinnerst du dich an diesen Anruf?“ Sie nickte und wandte sich wieder an Nikki. „Nicole war nicht sie selbst. Sie war uns gegenüber sehr barsch. Ich fragte sie, ob etwas nicht in Ordnung sei, und sie verneinte die Frage, wollte aber nichts Weiteres zu dem Thema sagen. Doch sie war eindeutig aufgebracht.“
„Wann fand dieser Anruf statt?“
„Vor drei Wochen“, antwortete Lysette. „Das war ebenfalls ungewöhnlich. Nicole rief immer sonntags an, nur um zu hören, wie es uns geht. In den Wochen vor ihrem Tod, meldete sie sich nicht.“
„Hat sie gesagt, wo sie war, als sie anrief?“
„An einem Flughafen. Das weiß ich, weil sie mich unterbrach, als ich fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei, um mir
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