Richard Dübell
das wissen Sie genauso gut wie ich.«
»Wer weiß noch davon?«
»Mit Ihnen sind es jetzt drei – Sie, Robert und ich.«
»Es sind vier«, sagte Peter. »Konstantin hat Sie nämlich durchschaut, sonst würde er Ihnen nicht die scheinbar unmögliche Aufgabe stellen, den Schmuck herzuschaffen. Wo ist Ihr Wagen?«
»Auf dem Supermarktparkplatz. Wo früher die Kaserne war.«
»Holen Sie die Sachen«, sagte Peter. »Holen Sie sie, und sorgen Sie um Gottes willen dafür, dass uns das hier nicht aus dem Ruder läuft. Konstantin hat sich selbst in die Ecke manövriert. Wenn hier die ganze Geiselbefreiungsmaschinerie anläuft, kann er nichts anderes mehr tun, als anzufangen, Geiseln zu erschießen, um seine Forderungen zu bekräftigen. Geiseln, Harald – Kinder! Oder Ihre Exfrau! Oder Ihre Tochter!«
»Oder Ihren Vater!«, erwiderte Harald.
»Genau, oder meinen Vater! Aber dazu wird es nicht kommen, nicht wahr, weil selbst ein Arschloch wie Sie noch so viel von einem Polizisten im Herzen hat, dass er das nicht zulassen wird!« Peter drückte Harald sein eigenes Mobiltelefon in die Hand. »Hier, diese Nummer gehört jetzt Ihnen. Machen Sie was draus. Er wird Sie wieder anrufen. Geben Sie mir Ihr Handy, damit wir in Verbindung bleiben können. Der Ausgang der Situation hängt jetzt von Ihnen und mir ab.«
»Und was tun Sie ?«
»Das, was Sie hätten tun sollen. Polizeiarbeit.«
Peter packte das Schwert, das in der Lederschlaufe an seinem Gürtel hing, und zerrte es samt Scheide heraus. Er war versucht, es zu ziehen und mit einer dramatischen Geste die Klinge in den Boden zu rammen, doch dann ließ er es nur fallen. Man konnte mit dem Ding an der Hüfte schon kaum normal gehen, geschweige denn laufen. Dann schlug er sich in die Büsche, um ein Stück Wald zwischen sich und den Burgstall zu bringen. Er glaubte zwar nicht, dass Konstantin etwas anderes tun würde, als neben seinen Geiseln zu sitzen und sie zu bedrohen, aber man konnte nie wissen … Und nach wie vor war die Tatsache, dass Konstantin nichts von Peters Hiersein ahnte, der einzige Vorteil, den er und Harald hatten.
Und wenn »Polizeiarbeit« bedeutete, dass man keine Ahnung hatte, was man als Nächstes unternehmen sollte, aber einem die Angst im Nacken saß, es trotzdem falsch zu machen, dann verrichtete Peter jetzt hundertprozentige Polizeiarbeit.
67 .
Peter fragte sich, wo Konstantin Heigl seinen Fluchtwagen abgestellt hatte. Er hatte kein Fluchtfahrzeug gefordert; es kam ihm also wirklich darauf an, so schnell wie möglich mit der Beute zu verschwinden, und nicht, die Behörden mit unsinnigen Forderungen an der Nase herumzuführen. Es kam ihm offensichtlich auch darauf an, dass überhaupt keine Einsatzkräfte aufzogen. Er wollte nur den Hochzeitsschmuck, und so wie er die Sache durchzog, würde noch nicht einmal offiziell bekanntgegeben werden müssen, dass der Hochzeitsschmuck gestohlen war. Auf der Burg wurden gerade die Kopien vorgestellt, von denen Harald Sander im Radio erklärt hatte, es seien die Originale. Die Polizei konnte bei dieser Behauptung bleiben, solange sie wollte oder bis der erste Fachmann anfing, irgendwelche Gravuren zu zählen. Was Konstantin unter diesen Umständen mit dem Schmuck anfangen wollte, war ein Rätsel – um ganz offiziell die Unschuld von Albrecht Hugbald von Egweil, dem Urahnen der Heigls, nachzuweisen, war es der falsche Weg.
Im mittlerweile nachtdunklen Wald war schwer von einem Ort zum anderen zu gelangen. Peter kannte das Gelände zwischen der Straße, die den Hügelzug mit dem Burgstall im Westen begrenzte, und der Staatsstraße 2045 , die einen Kilometer weiter die östliche Grenze markierte, mittlerweile gut genug – aber nur am Tag. Er hatte eine vage Ahnung, wo das Fluchtfahrzeug sein könnte – irgendwo auf dem Schwedenfeldweg, einer schmalen Piste, die einen Einödhof in der Nähe des Burgstalls mit der Staatsstraße verband. Bis hierher würde sich Konstantin sogar mit einer Handvoll Geiseln durchschlagen können, und dann stünde ihm ein Fluchtweg offen, den ihm Peter und Harald nicht abschneiden konnten.
Er wollte Harald anrufen, um sich nach der Lage zu erkundigen, da erkannte er, dass er sich selbst ausmanövriert hatte. Er kannte Haralds PIN nicht! Wenn sich das Telefon in den Stand-by-Modus verabschiedet hatte …
»Verflucht!«, sagte er und drückte erbittert auf den nächstbesten Knopf.
Zu seinem Erstaunen war das Telefon nicht nur im aktiven Modus, sondern es schien sogar mit
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