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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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Entfernung, die für Konstantin Heigls Fluchtauto sinnvoll gewesen wäre, befand sich ein geparktes Fahrzeug. Wie wollte Heigl von hier entkommen?
    Er dachte an die hastige Schilderung, die Robert ihm vom Verlauf der Geiselnahme in Bogenhausen gegeben hatte. Er versuchte, sich in den Geist von Konstantin Heigl hineinzufühlen, aber er konnte nur daran denken, dass Flora und alle anderen in der Gewalt des Mannes waren, auf dessen Konto Natalie Seitz’ zerstörtes Gesicht ging.
    Er lenkte sich ab, indem er Harald Sander verfluchte und dessen Tricksereien. Wie auch immer diese Geschichte hier ausging, spätere Generationen von Polizeipsychologen würden darüber dozieren können, wie ähnlich sich Polizist und Verbrecher manchmal wurden. Den Hochzeitsschmuck im Dienstwagen zu verwahren! Was für eine absurde – und in all ihrer Absurdität dennoch geniale! – Lösung. Nur dass die Genialität des Einfalls an Konstantin Heigls Schlauheit gescheitert war und diesem jetzt in die Hände spielte, weil Harald nur zum Auto zu gehen brauchte, um den Schmuck herauszuholen und …
    Haralds Dienstfahrzeug!
    Konstantin musste Harald nur zur Herausgabe der Schlüssel zwingen, wenn er den Schmuck übergab. Dann würde der Dienstwagen das Fluchtauto sein – garantiert unverwanzt und mit der Möglichkeit, den Polizeifunk abzuhören.
    Die Notwendigkeit, den Geiselnehmer daran zu hindern, mit seinen Geiseln zu seinem Fluchtfahrzeug zu gelangen, bekam angesichts dessen noch mehr Gewicht. Konstantin würde jemanden mitnehmen, der das Auto lenken konnte – entweder Flora oder Daniel oder Connor. Er würde noch mindestens ein Kind mitnehmen, um den unfreiwilligen Fahrer davon abzuhalten, das Auto gegen die nächste Mauer zu steuern. Mit aufgerissenen Augen starrte Peter in die Dunkelheit. Er sah vor sich, was jeder Polizist sah, wenn er an einen Geiselnehmer dachte, der mit Geiseln im Fluchtauto unterwegs war: das Geiseldrama von Gladbeck, an dessen Ende es zwei erschossene Geiseln, einen fünfzehnjährigen Jungen und ein achtzehnjähriges Mädchen, und einen toten Polizisten gegeben hatte.
    Peter schüttelte die Bilder ab. Er durfte sich keine Panik leisten – aber auch keine Verzögerung.
    Er musste eine Entscheidung zwischen zwei Maßnahmen treffen. Die eine war die, sich so nahe wie möglich an die Gruppe heranzuschleichen und zu hoffen, irgendwie eingreifen zu können, wenn sich die Situation zuspitzte. Das verdammte ihn aber dazu, nur reagieren zu können. Und war nicht mit Flora bereits eine Polizistin mitten im Geschehen? Und hatte Flora nicht immer bewiesen, dass man sich auf sie verlassen konnte?
    Galt das auch, wenn sie die Geisel eines Verbrechers war, der mit ihr noch dreißig Kinder und ihre eigene Tochter gefangen hielt? Wie kühl würde er, Peter, an ihrer Stelle handeln können?
    Peter traf seine Entscheidung. Er entschied sich für die andere Alternative und dafür, sich auf Flora zu verlassen.
    Mit pochendem Herzen rannte er über die Wiese, die zwischen dem Feldweg und den Bäumen am Kamm des langgestreckten Hügels lag, und drang in den Wald ein. Es war der kürzeste Weg hinunter zur Straße und zu dem Parkplatz, auf dem Haralds Dienstwagen stand.
    Nur dass es dort keinen Weg gab.
    Der Hang fiel sofort steil ab, und Peter verlor schon nach wenigen Schritten das Gleichgewicht. Er stolperte über Äste, verfing sich in Ranken und Schlingpflanzen, und als er mit der Schulter gegen einen Baum prallte, stürzte er. Halb rollte, halb sprang er den Hang hinunter, wich mit Glück den meisten Baumstämmen aus und streifte andere, überschlug sich, zerkratzte sich die Hände und das Gesicht und blieb schließlich keuchend und am ganzen Körper zerschlagen oberhalb des Spazierwegs am Fuß des Hangs liegen. Taumelnd kam er auf die Beine und tastete sich ab. Das verdammte Kettenhemd hatte ihn vor schlimmeren Verletzungen bewahrt und mit seinem Gewicht zugleich dafür gesorgt, dass er durch das Gestrüpp hindurchgebrochen war wie eine Kanonenkugel.
    Keuchend rannte er auf dem Spazierweg nach Westen. Wie ein riesiger Schatten in der Dunkelheit erhob sich der Hang links neben ihm, der Hang, auf dem der Burgstall lag. Peter bemühte sich, seinen Hass auf Konstantin Heigl zu beherrschen. Es gelang ihm nicht; zu groß war die Angst um die Geiseln und um seine Lieben. Und immer noch wusste er nicht, ob er das Richtige tat.
    An der Stelle, wo sich der Spazierweg direkt an der Bundesstraße verzweigte und zu seiner Rechten hinunter zur

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