Richard Dübell
Kasernenkreuzung und zum Supermarktparkplatz führte, musste er anhalten. Er bekam fast keine Luft mehr. Wenn er sich allein aus dem Kettenhemd hätte winden können, hätte er es abgestreift. Doch so musste er es weiter mitschleppen. Wo mochte Harald sein? War er schon wieder oben angelangt? Als ein Motorrad aufheulte und mit selbstmörderischer Geschwindigkeit die langgezogene Linkskurve der Bundesstraße hinunterdonnerte, fuhr Peter vor Schreck zusammen. Er schluckte und holte tief Luft. Der Supermarktparkplatz war fast leer und gut ausgeleuchtet, aber es gab auch dunkle Flächen, und Harald hatte den Wagen nach alter Polizeigewohnheit wahrscheinlich in einer dieser Schattenflächen abgestellt. Konstantin würde das nun zupasskommen, wenn er mit seinen Geiseln einstieg.
Es würde aber auch Peter in die Hände spielen, weil es ihm eine Möglichkeit gab, sich in der Nähe des Fahrzeugs zu verbergen – und sich auf Konstantin zu stürzen, wenn dieser beim Wagen angekommen war.
Ein erschöpfter, verschwitzter Mann mit einem zwanzig Kilo schweren Kettenhemd am Leib und seinen Händen als einzige Waffe gegen einen Geiselnehmer, der nichts zu verlieren hatte und eine großkalibrige Waffe besaß und bereits zwei Morde begangen hatte.
Er hätte das Schwert behalten sollen!
Peter schüttelte sich und rannte den Spazierweg zum Parkplatz hinunter.
71 .
Robert und die anderen standen abseits, während die Landshuter Polizei die Angelegenheit übernahm, ein Mediziner den Tod Eric Heigls feststellte, die Spurensicherung tätig wurde und uniformierte Beamte die Presseleute auf Abstand hielten. Robert hatte sein Team über das Gespräch mit Peter Bernward informiert, und die Kollegen drängten ihn, mit dem Landshuter Polizeidirektor zu sprechen, der den Einsatz leitete. Robert schüttelte den Kopf. Er deutete auf einen Mann, der eben von den Beamten durchgelassen wurde, und fühlte Erleichterung darüber, dass er nicht noch länger auf ihn warten musste.
»Mit dem da sprechen wir«, sagte er und eilte auf den Beamten in Zivil zu. »Herr Maier?«
Michael Maier blickte ihn überrascht an. Man konnte seinem Gesicht ansehen, dass er einen Augenblick nach dem Namen suchen musste. »Herr Kalp?«, fragte er dann. »Wo ist Ihr Chef? Wo ist Harald Sander?« Er fragte nicht nach, was hier geschehen war und welche Rolle Robert in der Tragödie hatte. Für Robert zeigte sich darin der fähige Polizist: Überflüssige Fragen wurden nicht gestellt.
»Können wir uns etwas abseits unterhalten?«, fragte Robert. »Mit meinem Team?« Er wies zu den anderen und wurde sich bewusst, dass er »mein Team« gesagt hatte. Falls es Michael Maier aufgefallen war, ließ er es sich nicht anmerken. »Das hier war nur ein Ablenkungsmanöver«, erklärte Robert schließlich. »Und meines Erachtens diente es auch dazu, dass wir Eric Heigl ausschalteten. Er war Blofelds Komplize, und seine Arbeit war getan. Er war ein loses Ende, und er musste beseitigt werden.«
»Und warum hat Blofeld ihn dann nicht selbst ermordet, anstatt sich darauf zu verlassen, dass Sie die Arbeit für ihn erledigen? Es hätte ja auch sein können, dass dieser Plan schiefgeht.«
»Er hat sich darauf verlassen, dass er funktioniert«, sagte Robert und dachte daran, dass auch Harald sich darauf verlassen hatte, dass sein Plan funktionierte. »Warum er Eric nicht selbst umgebracht hat, dazu habe ich eine Theorie: Er hätte es am Ende vielleicht nicht übers Herz gebracht.«
»Dieser kaltblütige Killer? Denken Sie an den Museumswächter, an den Juwelier in München – denken Sie an Natalie Seitz!«
»Er konnte ihn in seinen Tod schicken, aber er konnte ihn nicht selbst umbringen«, sagte Robert langsam, »weil Blofeld … Eric Heigls großer Bruder ist. Konstantin Heigl.«
Maier starrte Robert mit offenem Mund an. »War Ihnen das immer schon klar …?«, begann er, und Robert konnte erkennen, dass die Überraschung des Kriminaloberrats durch Zorn verdrängt wurde. Robert schüttelte hastig den Kopf.
»Ich weiß es von Ihrem Kollegen – von Peter Bernward«, sagte er. »Herr Maier, die Situation ist noch viel beschissener, als es den Anschein hat. Konstantin Heigl hat in diesem Moment etwa vierzig Geiseln in seiner Gewalt – die meisten von ihnen Kinder. Es handelt sich um die Gruppe, die heute die Geisterführung durch den alten Burgstall mitmachen wollte.«
Maier wurde blass. Er griff instinktiv nach seinem Handy. Robert legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich habe mit
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