Richard Dübell
etwas Interessantes erzählt. Wusstest du, dass vor einem halben Jahr ein Einbruch in das Museum für Stadtgeschichte in Wittenberg verübt wurde? Da war gerade eine Sonderausstellung zu Ende gegangen – bei der auch Schmuck von Herzogin Hedwig gezeigt wurde. Der Täter hat den Nachtwächter ermordet und dann in aller Seelenruhe die Schaukästen ausgeräumt. Den Hochzeitsschmuck hat er allerdings nicht bekommen, der war ausgerechnet an diesem Tag ausgelagert. Wie er am nächsten Morgen entkommen ist, weiß kein Mensch. Aber in dem ganzen Chaos nach der Entdeckung des Raubs und des Mordes muss es ihm leichtgefallen sein; du kannst dir vorstellen, was da los war. Ein früher Besucher bekam sogar einen Herzinfarkt vor Aufregung.«
»Böse Sache!«, sagte Peter. Und dann, mit Verspätung, weil er nicht richtig aufgepasst hatte: »Wo war das? In Wittenberg?«
»Ich hoffe, deine Kollegen bei der Ausstellung wissen Bescheid. Hier wird der Hochzeitsschmuck der Herzogin ja auch gezeigt. Die Sachen sind in jeder Hinsicht unersetzlich – wegen ihres Werts, wegen ihrer historischen Bedeutung und wegen ihres politischen Gehalts.«
»In Wittenberg?«, fragte Peter noch einmal ungläubig.
Daniel zuckte mit den Schultern.
Peter klopfte so heftig auf das Dach des Fabia, dass Flora drinnen zusammenzuckte. »Gib meinem Pa die Autoschlüssel«, rief er. »Steig in den Tank. Wir müssen deinen Ex finden!«
14 .
Der Mann im dunklen Anzug erinnerte sich an das Feuer, das er vor ein paar Monaten entfacht hatte. Aktenordner hatten darin gebrannt, Schulhefte, Loseblattsammlungen. Ein Leben war den Flammen übergeben worden; ein Streben, das zu nichts geführt hatte außer zu Leid, war verzehrt worden.
Für ihn war es ein Reinigungsritual gewesen. Seine Mission hatte nicht direkt damit begonnen, aber es war der logische nächste Schritt gewesen. Nein, es war nicht ein logischer , es war ein seelisch notwendiger Schritt gewesen. Während die einen Unterlagen gebrannt hatten, hatte er mit einer Art wütender Faszination in den Dokumenten geblättert, die noch auf ihren Gang ins Feuer warteten, und die Lektüre hatte seinen alten Zorn von neuem angefacht.
Er erinnerte sich daran, während er jetzt dastand und in den blauen Himmel starrte und darauf wartete, dass seine Botschaft angekommen war und ihr Empfänger sich meldete. Einzelne Aussagen in den Unterlagen blitzten wie unwillkommene Sternschnuppen am dunklen Firmament seiner Gedanken auf.
… ist eine solche Verbohrtheit eines Laien nicht nur für alle vernünftigen Wissenschaftler langweilig, sondern in diesen Zeiten auch politisch unangebracht …
… Wunschdenken und später Revanchismus in der Verkleidung der persönlich motivierten Geschichtsforschung …
… der völlig unnötige Versuch der Rehabilitation einer geschichtlichen Marginalie um den Preis der eigenen Seriosität …
Sie waren sich im Grunde so ähnlich, die Kritiker und derjenige, den sie kritisiert hatten: selbstverliebt, pompös, vollkommen überzogen in allen Bemühungen, recht zu behalten, absolut blind gegen die Kollateralschäden, die dabei angerichtet wurden.
Der Mann im dunklen Anzug räusperte sich, weil die alte Wut seinen Hals belegte wie zäher Schleim.
Das Mobiltelefon meldete sich. Er nahm den Anruf entgegen. »Hey, Eric«, sagte er ins Telefon.
Eine brummige Männerstimme antwortete: »Hey.« Eine Weile lang herrschte Schweigen, dann sagte Eric: »Hab deine Nachricht bekommen.«
»Gut.«
»Ich hab gesagt, dass ich das nicht noch mal mache.«
»Stimmt.«
»Warum hast du mir die Nachricht gesendet?«
»Ich brauche dich noch mal.«
Eric brach in einen Strom von Flüchen aus.
Der Mann im dunklen Anzug hörte ihm geduldig zu. »Wir ziehen die gleiche Masche noch mal durch. Ganz unkompliziert«, sagte er schließlich.
»Wo bist du überhaupt?« Erics Stimme verriet einen Anfall von Panik, als ob er bereits vor der Tür stünde.
Der Mann im dunklen Anzug ignorierte die Frage, weil er derjenige war, der hier die Fragen stellte.
»Die werden nicht auf denselben Trick zweimal reinfallen«, rief Eric.
»Die fallen auf jeden Trick rein, keine Sorge«, erwiderte er.
Eric zögerte, dann sagte er: »Mit mir kannst du nicht mehr rechnen, Stani. Endgültig.«
»Ich bin in einer Stunde bei dir. Dann sag ich dir, was du tun musst.«
Ein neuer Strom von Flüchen, bis Eric sagte: »Du lässt dich auf keinen Fall hier blicken!«
Der Mann im dunklen Anzug hielt inne. Eric war immer schwach
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