Richard Dübell
Sie …?«
»Ich passe drauf auf, wenn sie im Urlaub sind.«
»Ihre Eltern sind wo im Urlaub?«
»Wie jedes Jahr in Grafenau«, sagte Dominik Wiesner, und Peter hörte mindestens fünfzehn Jahre enttäuschter jugendlicher Hoffnungen auf einen attraktiveren Urlaubsaufenthalt heraus.
Er konnte nicht anders und fragte: »Haben Sie noch ältere Geschwister?«
»Zwei«, sagte Dominik. Ungesagt, aber deutlich vernommen blieb der Zusatz, dass diese um vieles älter als er waren und er ein spätes Versehen gewesen sein musste.
»Wo wohnen Sie, wenn Ihre Eltern nicht im Urlaub sind?«, fragte Flora.
»Auch hier.«
Harald Sander zog eine Augenbraue hoch.
»Aber dann passe ich nicht auf die Bude auf, klar, Mann?«, sagte Dominik trotzig.
»Völlig klar«, sagte Harald mit der ihm offenbar eigenen Fähigkeit, einen Gesprächspartner sich nach ein paar dürren Worten wie etwas fühlen zu lassen, das man vor dem Betreten des Hauses von der Schuhsohle kratzt.
»Wer bezahlt eigentlich den Schaden, den Sie angerichtet haben?«, rief Dominik. Er schaffte es, Peter ein paar Momente lang anzusehen.
Flora schnupperte an dem Löffel, den sie im Bad aufgehoben hatte. »Ihr Dealer?«, schlug sie vor.
Dominiks Schultern sanken herab. »Was wollen Sie überhaupt von mir?«
»Über heute Morgen reden.«
»O Mann.«
»Woran erinnern Sie sich?«
»Hab ich doch schon alles den anderen Bu … Ihren Kollegen gesagt.«
»Vielleicht erinnern Sie sich ja an etwas, das sie den anderen Bullen nicht gesagt haben«, erwiderte Flora.
Peter hatte sich bald nach dem Beginn ihrer Zusammenarbeit angewöhnt, sie den Großteil eines Gesprächs führen zu lassen. Wenn sie ihre Brille zurechtrückte und ihren Gesprächspartner aufmerksam anblickte, strahlte sie eine derart verwirrende Mischung aus Aufmerksamkeit, professioneller Unnahbarkeit und heimlicher Sinnlichkeit aus, dass man selbst als Beisitzer eines Verhörs davon fasziniert war. Man musste schon hartgesotten sein, um sich davon nicht beeindrucken zu lassen.
Dominik Wiesner war nicht hartgesotten.
»Ich erinnere mich, dass ich mich fragte, ob ich nicht lieber noch einen Caipi trinken sollte, anstatt mit der Vo … mit der Tu … mit der Schl …« Er brach hilflos ab.
»… mit Natalie Seitz«, half Flora freundlich aus.
»… nach draußen zu gehen«, vollendete Dominik unbeholfen. »So ein Feger war sie ja nun auch nicht.«
»Aber einen schnellen Fick im Kirchenportal war sie wert?«, fragte Flora.
Dominik blinzelte verwirrt.
Unerwartet direkte Ansagen wie diese gehörten ebenso zu Floras Gesprächstaktik wie über einen noch so dünnen Witz in herzliches Lachen auszubrechen, dessentwegen ihr Gesprächspartner zu seinem eigenen späteren Schaden überzeugt war, diese blendend schöne Polizistin mit seinem Charme verzaubert zu haben.
»Äh …«, sagte Dominik und suchte vergeblich Hilfe bei Robert Kalp, dem Einzigen, der ihn in diesem Gespräch noch nicht mit einer Bemerkung filetiert hatte. Robert gab seinen Blick mit steinerner Unbeweglichkeit zurück. »Jedenfalls war sie die Scheiße nicht wert, die danach passiert ist!«, platzte Dominik heraus.
»Was ist denn passiert?«
»Steht doch im Protokoll!«
»Erzählen Sie es uns noch mal.«
Dominik verdrehte die Augen. »Mann, Mensch! Also gut. Die Schl … äh … Natalie hat mich den ganzen Abend schon angemacht. Plötzlich kommt sie zu mir rüber und lehnt sich an, so als ob sie mir was ins Ohr sagen will. Weil, da in der Disco ist es schei … ist es ziemlich laut, da muss man sich ins Ohr brüllen, wenn man sich unterhalten will. Ja, Mann? Also, sie lehnt sich an mich ran, und ich denk mir, sie will ’ne Zigarette schnorren oder so was, und ich überleg mir, ob ich ihr sag, dass ’ne Zigarette fünf Minuten Blasen auf’m Klo kostet …« Dominik brach ab und besaß genügend Kinderstube, um zu erröten.
Flora strahlte ihn mit dem Gesichtsausdruck »aufmerksame Lehrerin« an. »Fünf Minuten Blasen auf dem Klo …«, wiederholte sie, als Dominik nicht mehr weiterkam.
»Nur so zum Spaß, Mann«, sagte Dominik, »so was ist nicht ernst gemeint.«
»Und all die Handyfotos von solchen Aktionen totale Fakes«, sagte Peter.
»Hä?«, stieß Dominik verwirrt aus.
»Nur weiter«, erklärte Peter. »Wir sind ganz Ohr.«
»Also, jedenfalls komm ich gar nicht dazu, ihr irgendwas zu sagen, weil ich plötzlich ihre Hand an meinem …«
»… Schwanz«, half Flora freundlich aus.
Dominik sah aus, als würde er
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