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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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und Ästen eine Strecke den Hang hinab, prallte gegen einen Baumstamm, kam auf die Beine. Keuchend brachte er die Pistole in Anschlag und wirbelte einmal um seine eigene Achse.
    »Komm raus!«, schrie er. »Ich hab dich gespürt. Ich wusste, dass du da bist, und du wusstest, dass ich es weiß. Komm raus!« Der Zorn ließ seine Stimme schrill klingen. Wenn Blofeld jetzt hinter einem Baum hervorgekommen wäre, er hätte den Abzug sofort durchgedrückt. Vor seinem inneren Auge hing der Anblick, den aufzunehmen er sich im Haus geweigert hatte – der Anblick eines mit Blut und Knochensplittern und Zähnen gefüllten Lochs, über dem ein kleines Kruzifix baumelte. Er dachte, dass er dieses Kettchen erst heute Morgen um Natalies Hals hatte hängen sehen, als Flora ihr im Seitenportal der Martinskirche den Knebel aus dem Mund gezogen hatte, dachte daran, wie er und Flora sich lachend versichert hatten, dass dieser Fall in die Annalen der Landshuter Polizei eingehen würde. Er würde es nach wie vor, aber niemand würde mehr schmunzeln, wenn er davon hörte.
    »Komm raus!«, schrie er, dann ließ er die Pistole sinken. Der Gefühlssturm ebbte ab. Er wusste, dass der heimliche Beobachter weg war, so wie er wusste, dass er ihn vorhin gespürt hatte. Er sah nach oben. Harald und Robert beugten sich über die Hangkante und schauten zu ihm herunter. Dann tauchte Flora neben ihnen auf. Sie war die Erste, die das Wort ergriff.
    »Schaffst du es alleine rauf?«, rief sie.
    Peter nickte. Er entspannte und sicherte die Pistole, dann machte er sich auf den steilen, rutschigen Weg nach oben.
30 .
    Am frühen Nachmittag waren die ersten Polizeiarbeiten am Tatort abgeschlossen. Das Haus war gesichert, die Leiche war weggebracht worden, die Tatortreinigung alarmiert, aber noch nicht im Einsatz, solange die Spurensicherung noch nicht abgeschlossen war. Polizisten befragten die Nachbarschaft und kümmerten sich darum, dass die Handvoll Gaffer, die in der Sonne standen und glotzten, die Polizeiabsperrung nicht überwanden. Einige hitzige Diskussionen waren bereits ausgebrochen – besonders ein bierbäuchiger Mann, der sein Poloshirt in seine kurze Hose gestopft hatte und knielange schwarze Socken zu Birkenstocklatschen trug, verlangte im Namen der Sicherheit der Nachbarschaft und unter Androhung der Hinzuziehung von Stadtrat, Presse und nicht genauer genannter »höherer Stellen« eingehende Auskünfte, was eigentlich geschehen war. Der Gruppenführer der uniformierten Polizisten, ein Polizeihauptkommissar namens Rudolf Strutiow, den Peter kannte und wegen seiner Besonnenheit schätzte, nahm sich des selbsternannten Nachbarschaftsvertreters an, wann immer dieser laut wurde. Wäre die Situation nicht die gewesen, die sie war, hätte Peter sich darüber amüsiert, wie Strutiow den Wichtigtuer nach Strich und Faden über die gesamte Nachbarschaft aushorchte, während dieser offensichtlich das Gefühl hatte, dem tumben Polizisten die Würmer aus der Nase zu ziehen – und nicht mehr erfuhr als das, was er mit eigenen Augen sehen konnte.
    Die Personalien des Opfers waren festgestellt worden. Peter hätte den Kollegen den Namen auch ohne den im Haus gefundenen Reisepass sagen können.
    Ein vierköpfiges Spurensicherungsteam arbeitete sich seit zwei Stunden, in ihren weißen Schutzanzügen schwitzend, durch das Anwesen, nachdem Peter, Flora, Harald und Robert ihnen alle Stellen gezeigt hatten, an denen sie sich aufgehalten und den Tatort mit ihren eigenen Spuren kontaminiert hatten. Ein Laptop, der von den Spurensicherern freigegeben worden war, befand sich bereits in der Dienststelle und wurde fachmännisch untersucht, um an die Inhalte heranzukommen. Ein zweites Spurensicherungsteam durchkämmte mit Hilfe einiger Bereitschaftspolizisten den bewaldeten Hang. Peter führte die Kollegen selbst in den Wald und zeigte ihnen die Stellen, an denen er sich aufgehalten hatte; als er wieder nach oben kletterte, begrüßte ihn Michael Maier.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte er und nahm Peter beiseite.
    »Ging mir schon besser«, erwiderte Peter wahrheitsgemäß.
    »Ich habe die Tatortfotos gesehen«, sagte Maier leise. »Nichts, was man sich wirklich anschauen möchte.«
    »Es war eine Hinrichtung!«
    Maier musterte ihn, ohne etwas zu erwidern. Peter wusste, dass es tausend Gründe dafür geben konnte, was geschehen war, aber er war überzeugt, dass er recht hatte. Maier hielt sich wie üblich bedeckt; er gehörte nicht zu den Vorgesetzten, die ihre

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