Richard Dübell
Mitarbeiter mit ihrem eigenen Scharfsinn zu beeindrucken versuchten, sondern ließ sie ihre eigenen Vermutungen zu Ende denken. Schließlich sagte er: »Die Spurensicherung meint, dass der Täter sich den Bademantel angezogen hat, bevor er schoss. Es sind Blutspritzer darauf. Der Täter wollte vermeiden, sie an seine eigene Kleidung zu bekommen. Er hat eine großkalibrige Waffe benutzt, er wusste, was passieren würde, wenn die Kugel das Opfer traf.«
»Großer Gott«, sagte Peter. Er schüttelte den Kopf.
»Flora hat mich auf den Stand der Dinge gebracht. Sie sagte mir, Sie nehmen an, der Freund von Natalie Seitz sei bei der Geschichte in Wittenberg der Komplize Blofelds gewesen. Der Mann, der sich als Sanitäter ausgab und den vermeintlich kollabierten Besucher aus dem Museum schaffte.«
Peter nickte. »Eric Heigl.«
»Das Haus hier ist auf Eric Heigl im Grundbuchamt eingetragen«, sagte Maier. »Aber die Geschichte in Wittenberg ist ein halbes Jahr her – und warum sollte Blofeld die Frau töten und nicht den Komplizen?«
»Weil Blofeld Heigl noch braucht? Weil der Mistkerl hier einen ähnlichen Coup durchziehen will wie in Wittenberg? Weil Natalie der Unsicherheitsfaktor war?«
»Wo wäre dann Heigl?«
»Mit Blofeld zusammen? War Natalie das Mittel, ihn nochmals zur Kooperation zu bewegen? Hat er sie vor seinen Augen erschossen, um ihm klarzumachen, was ihm blüht, wenn er nicht mitzieht?« Peter hörte sich selbst dabei zu, wie er Fragen stellte, statt seinem Chef Antworten zu geben, und die Wut, die seit dem Anblick der Ermordeten in ihm schwelte, kochte erneut in ihm hoch. Es war Wut auf den Täter, aber auch Wut auf sich selbst. Die Polizei hatte Natalie Seitz nicht schützen können. Er hatte Natalie Seitz nicht schützen können. Die Polizei hatte versagt.
Er hatte versagt.
Und zu wissen, dass Natalies Tod tatsächlich nicht im mindesten seine oder die Schuld der anderen war, machte es nicht besser. Man fühlte sich immer verantwortlich – oder man hatte den falschen Beruf gewählt.
Maier sagte langsam: »Sie nehmen an, dass Heigl nicht ganz freiwillig Blofelds Komplize ist. Aber genauso gut könnte es sich so zugetragen haben: Heigl hat rausbekommen, dass seine Freundin heute Morgen mit einem anderen Mann im Seitenportal der Martinskirche Verkehr hatte, und hat sie selbst erschossen. Und Blofeld hat damit nicht das Geringste zu tun.«
»Haben Sie das Schlagzeug im Keller gesehen? Das sieht nicht billig aus, und es ist das einzige Ding in der gesamten Bude, um das sich jemand gekümmert und es saubergemacht und gewartet hat. Das Schlagzeug und der Übungsraum bedeuten Eric etwas. Er hätte seine Freundin nicht ausgerechnet dort erschossen.«
»Oder gerade deswegen.«
Peter seufzte und nickte dann. »Ich weiß«, sagte er. »Ich weiß. Alles ist möglich. Und wir wissen nichts.«
»Aber Sie glauben, Blofeld ist wegen der Ausstellung auf der Burg hier.«
»So sicher, wie ich glaube, dass der Kerl mich beobachtet hat.«
»Aber Sie haben ihn nicht gesehen, oder?«
»Nein, verdammt. Der Kerl bleibt ein Phantom.«
»Wieso sollte Blofeld sich die Mühe machen, die Ausstellung zu berauben?«, murmelte Maier. »Ich frage mich das Gleiche in Bezug auf Wittenberg. Es gibt einfachere Wege, zu Geld zu kommen, als historische Schmuckstücke zu rauben, von denen einige nur Repliken und die anderen unverkäuflich sind.«
»Unverkäuflich«, sagte Peter, »sind diese Sachen nur auf dem offenen Markt. Aber Sammler zahlen unter dem Tisch hohe Summen.«
Maier musterte ihn. »Sie wissen darüber natürlich besser Bescheid als ich.«
Peter seufzte. »Nicht ich, sondern mein Pa.«
»Denken Sie, Blofeld arbeitet im Auftrag?«, fragte Maier.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Peter wahrheitsgemäß. »Ich bin aber überzeugt, dass er Natalie Seitz erschossen hat – wenn Sie mich fragen, keine Viertelstunde bevor wir hier eintrafen –, dass er uns beobachtet hat und entwischt ist, dass Natalie noch leben würde, wenn wir schneller geschaltet hätten, und dass ich die Gehirnmasse einer jungen Frau, über die wir uns heute Morgen noch alle amüsiert haben, auf alten Eierschachteln habe kleben sehen …« Er brach ab.
Maier klopfte ihm auf die Schulter. »Gehen Sie nach Hause, Herr Bernward. Sie haben heute eigentlich frei. Nachher geht ein Fahndungsaufruf für Eric Heigl raus; um Blofeld kümmern sich ja unsere Kollegen von der SOKO , aber ich denke, der Kollege Sander wird auch für Heigl die
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