Richard Dübell
Sie, dass Sie … Blofeld gesehen haben!?«, fragte Robert fassungslos.
»Machen Sie schon, bevor Sie völlig voreingenommen sind.«
»In welcher Situation haben Sie den Verdächtigen gesehen?«, fragte Robert nach einem winzigen Moment des Nachdenkens.
Das Fragespiel zog sich nicht lange hin, obwohl Robert Kalp sehr geschickt war. Er schaffte es, dass Peter sich an modisch nach hinten gegeltes, halblanges Haar erinnerte, das sich im Nacken kräuselte, und daran, dass die Sonnenbrille dunkle, aber keine verspiegelten Gläser hatte und schmal und eckig war; aber mehr brachte auch Roberts Fragetechnik nicht ans Tageslicht. Peter gab es auf und erklärte Robert, in welchem Zusammenhang er Blofeld gesehen zu haben glaubte.
Robert zögerte einen Augenblick, dann tippte er auf seinem Smartphone herum. »Sehen Sie sich das mal an«, sagte er und legte das Handy vor Peter auf den Tisch.
Peter betrachtete das Standbild aus dem Video einer Überwachungskamera. Zwei Männer waren aus einem Blickwinkel direkt über ihnen zu sehen. Einer der Männer trug eine dunkle, einfache Uniform, der andere einen ebenfalls dunkel wirkenden Anzug. Robert wischte ein paarmal über den kleinen Monitor seines Smartphones. Weitere Standbilder huschten vorbei. Auf der letzten Aufnahme kniete der Museumswächter vor einem der Schaukästen. Der andere Mann war auf allen Bildern nur von oben zu sehen. Sie zeigten seinen Scheitel, weiter nichts. Der Mann mit dem dunklen Anzug hatte genau gewusst, dass er nur den Kopf gesenkt halten musste, um zu vermeiden, dass die Überwachungskamera irgendwelche brauchbaren Aufnahmen von ihm machte.
»Haben Sie das Gefühl, dass der Mann mit dem dunklen Anzug derselbe ist wie der, den Sie heute gesehen haben?«
»Ja«, erwiderte Peter. »Aber ich bin jetzt natürlich voreingenommen.«
»Die Bilder haben wir aus dem Back-up-Film einer Überwachungskamera des Wittenberger Museums ausgelesen. Blofeld scheint nicht daran gedacht zu haben, auch diese Aufnahme verschwinden zu lassen; das Originalband hatte er gegen ein altes ausgetauscht und mitgenommen. Er war aber vorsichtig genug, nie sein Gesicht sehen zu lassen.«
»Oder er wusste es und spielt mit uns«, sagte Peter.
»Dann seien Sie froh, dass Sie nicht mitspielen müssen«, sagte Harald, der in den Raum trat. Er musste den letzten Rest der Unterhaltung durch die Tür mitgehört haben, die Peter in alter Gewohnheit halb offen gelassen hatte. Die meisten Kripobeamten schlossen die Türen ihrer kleinen, kahlen Büros nur, wenn sie dort eine Vernehmung durchführten, ansonsten setzte sich in ihrem Büroalltag das unbewusste Streben jedes Polizisten durch, so viel wie möglich von allem mitzubekommen, was um ihn herum geschah. »Ich such euch schon überall«, fuhr Harald fort. »Ich …« Sein Handy klingelte. Er stöhnte. »Sorry!« Die Tür fiel hinter ihm zu. Sie hörten, wie er sich meldete, dann verebbte seine Stimme. Er musste den Flur vor dem Büro entlang weitergegangen sein.
»Wie nahe sind Sie jemals an Blofeld rangekommen?«, fragte Peter.
»Wir dachten, wir hätten ihn, als er den Juwelier überfiel.«
» Harald dachte, er hätte ihn. Er ist kein großer Teamspieler, nicht wahr?«
Robert musterte ihn nachdenklich. »Lassen Sie uns weiterreden, wenn Harald wieder da ist.«
»Loyalität unter SOKO -Kollegen?«
»Der Spott ist unnötig. Wie würden Sie sich fühlen, wenn ich Sie über Flora Sander auszufragen versuchte?«
Peter schwieg. In Robert Kalps Gesicht war kein überlegenes Grinsen zu sehen, eher wirkte der SOKO -Beamte wehmütig. Peter fragte sich, ob die SOKO nicht besser bedient gewesen wäre, wenn Robert ihr Leiter wäre und nicht Harald. Robert war bedacht, loyal, höflich, gründlich, klug und ein guter Polizist. Er war der beste Stellvertreter, den man sich wünschen konnte. Zum Leiter eines Ermittlungsteams fehlte ihm nur die eine, aber entscheidende Eigenschaft: der Wille, an allen Stühlen zu sägen, auf denen Leute saßen, die ihm im Weg waren. Peter bezweifelte nicht, dass Harald diese Eigenschaft besaß. So, wie Harald noch eine weitere Charaktereigenschaft besaß, die einen hervorragenden Polizisten von einem guten Polizisten unterschied: Er war ein verdammter Hundesohn.
So, wie Peter ein verdammter Hundesohn sein konnte, wenn es sein musste. »Flora würde mich nicht in die Scheiße reiten, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen, so wie Harald Sie in die Scheiße reitet«, sagte er. Er wusste nicht, welche tiefere Ahnung
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